Der Schwarm kommt

War­um Ton und krea­ti­ve Pro­zes­se in der Post­pro­duk­ti­on eine beson­de­re Rol­le in der Best­sel­ler-Ver­fil­mung spielen

Ein Welt­best­sel­ler mit 900-Sei­ten, der vor bereits 20 Jah­ren erschie­nen ist und lan­ge als unver­film­bar galt: Auf der dies­jäh­ri­gen Ber­li­na­le hat Frank Schät­zings Sci­ence-Fic­tion-Thril­ler „Der Schwarm“ nun als sechs­tei­li­ge Serie Pre­mie­re gefei­ert. Mit einem Bud­get von 40 Mil­lio­nen Euro gilt die Serie als eine der teu­ers­ten deut­schen Seri­en­ver­fil­mun­gen aller Zei­ten. Unter der Feder­füh­rung des ZDFs insze­nier­te Show­run­ner Frank Doel­ger („Game of Thro­nes“) mit den Regisseur:innen Bar­ba­ra Eder, Luke Wat­son und Phil­ipp Stölzl sowie einer inter­na­tio­na­len Crew nach einer Vor­be­rei­tungs­zeit von mehr als fünf Jah­ren den Roman als Mys­tery-Seri­en­er­eig­nis. Für die Post­pro­duk­ti­on und damit auch für Ton, Mischung und Bild­be­ar­bei­tung wur­den die Pots­da­mer Expert:innen von Rotor Film beauf­tragt. Die Geschich­te: Eine unbe­kann­te Schwarm­in­tel­li­genz im Meer bedroht die Mensch­heit. An ver­schie­de­nen Orten der Welt wer­den Men­schen von Mee­res­tie­ren atta­ckiert. Als die Situa­ti­on immer bedroh­li­cher wird, begibt sich ein Team von Wissenschaftler:innen auf die Suche nach Ant­wor­ten. Um die laut­lo­se Bedro­hung unter Was­ser für die Zuschau­en­den greif­bar zu machen, hat sich das Sound­de­sign als ein wesent­li­ches Ele­ment in der Pro­duk­ti­on entwickelt.

Im Gespräch mit dem Media­Tech Hub erzählt Misch­ton­meis­ter Gre­gor Bon­se von Rotor Film, wie her­aus­for­dernd, berei­chernd und krea­tiv die Arbeit an „Der Schwarm“ war. Neben den kom­ple­xen Pro­duk­ti­ons­pro­zes­sen einer inter­na­tio­na­len Serie und einer ab Dreh 20-mona­ti­gen Post­pro­duk­ti­ons­zeit war hier bud­ge­tär ein für TV-Pro­duk­tio­nen sel­te­ner Rah­men geschaf­fen wor­den, der es erlaub­te viel aus­zu­pro­bie­ren und einen für die Geschich­te stim­mi­gen Sound zu erschaffen.

Unheim­li­che „Schwarm-Geräu­sche“ statt klang­vol­lem Musikteppich

Bereits in der ers­ten Sze­ne setzt der Ton auch die Atmo­sphä­re der Serie: In Peru wird ein Fischer von einem dich­ten Schwarm wei­ßer, silb­ri­ger Fische am Auf­tau­chen gehin­dert und ertrinkt. Der Schwarm zieht sich bedroh­lich sir­rend über der Was­ser­ober­flä­che zusam­men, die Musik­un­ter­ma­lung ist bewusst zurück­hal­tend. Die Bedro­hung, das für die Men­schen nicht zu sehen­de „unbe­kann­te Unge­heu­er“, spielt eine Haupt­rol­le, aber auch das Meer ist in „Der Schwarm“ ein wich­ti­ger Prot­ago­nist. Es stellt nicht nur Was­ser dar, son­dern steht für ein eige­nes Wesen mit eige­ner Kör­per­lich­keit. Sound­de­si­gne­rin Noe­mi Ham­pel hat zur Ver­to­nung im Vor­feld mit vie­len Geräu­schen expe­ri­men­tiert. Unter ande­rem habe sie in ihren Recher­chen nach Mate­ri­al wie „The stran­gest sounds ever recor­ded under water“ gesucht, um sich dem Ele­ment zu nähern und ihm einen Cha­rak­ter zu ver­pas­sen – wie sie wäh­rend der Ber­li­na­le auf dem Panel der Berufs­ver­ei­ni­gung Film­ton (bvft) berich­tet. In der Serie erhält das Meer viel Erzähl­zeit, es wird mit hap­ti­schen, dump­fen Geräu­schen ver­bun­den, teils klingt es, als wür­de man akus­tisch unter einer Glo­cke sitzen.

„Gene­rell wur­de beson­ders in den ers­ten Fol­gen vor­sich­ti­ger mit Musik umge­gan­gen. Es braucht hier kei­nen soge­nann­ten Land­scape Score, um Orte zu erzäh­len oder Emo­tio­nen vor­weg­zu­neh­men. Der Schwarm trifft auf den Men­schen in einer gewis­sen All­täg­lich­keit, ein Fisch­markt in Frank­reich, ein Strand in Kana­da. Hier ist ein tref­fen­des Sound­de­sign ent­schei­dend. Das Ele­ment Was­ser erzielt mit den ent­spre­chen­den Sound­ef­fek­ten aber bereits eine Art Fores­ha­dowing: Ganz gleich ob der perua­ni­sche Fischer gera­de in See sticht oder ein Hum­mer den Abfluss hin­un­ter­spült: Hier schwingt immer mit, dass es mehr ist als nur Was­ser. Erst in den wei­te­ren Fol­gen kom­men dann die wirk­lich gro­ßen musi­ka­li­schen Momen­te, wenn sich das Publi­kum den Figu­ren bereits nähern und deren Kon­flik­te nach­emp­fin­den konn­te.“, beschreibt Gre­gor Bon­se die Arbeit.

Im Buch ist sogar eine Beschrei­bung für Ton fest­ge­hal­ten – Schät­zings Roman spricht hier von einem „Krat­zen“, einem unheim­li­chen Geräusch, das zu hören ist. Ein ein­deu­ti­ges Geräusch, dem man sich jedoch für den Film anders nähern muss­te. „Kon­kre­te Geräu­sche kön­nen auch albern wir­ken und die Bedro­hung bana­li­sie­ren. Des­halb wur­de durch Gra­nu­lar­systhe­se ein „Schwarm-Geräusch“ ent­wi­ckelt, das auch Musik­ele­men­te ent­hält.“, so Bonse.

Wel­che Rol­le spielt Bud­get bei der Tongestaltung?

Auf dem Panel der bvft, das einen Blick auf die Pro­duk­ti­ons­um­stän­de und Bud­get­kos­ten für Ton­ge­stal­tung wirft, schwär­men Bon­se und Ham­pel bei­de von den opti­ma­len Arbeits­be­din­gun­gen, die ihnen das Bud­get ermög­licht habe: „Wir hat­ten Zeit, wir konn­ten auch expe­ri­men­tie­ren und hat­ten die Mög­lich­keit in der Post­pro­duk­ti­on noch­mal etwas kom­plett neu hin­zu­zu­fü­gen oder an ande­rer Stel­le zu revi­die­ren. So wur­den noch wäh­rend der End­mi­schung gan­ze Dia­lo­ge neu auf­ge­nom­men, damit die Sze­ne ins­ge­samt stim­mi­ger wur­de.“ Wie unter­schied­lich Ton beim Dreh oder in der Post­pro­duk­ti­on auf­ge­nom­men wird, beschreibt auch Tim Gre­ve von Con­stan­tin Film, der ein ande­res Pro­jekt bei der Ber­li­na­le vor­stellt. Je mehr Tonassistent:innen (und damit Bud­get) am Set sind, des­to opti­ma­ler kön­nen die Ori­gi­nal­tö­ne der Schau­spie­len­den über Ton­an­geln auf­ge­nom­men wer­den. Was am Dreh­ort pas­sie­re, sei immer authen­ti­scher als in der Post­pro­duk­ti­on. Aber heu­te gebe es vie­le Pro­jek­te, die in einem schnel­le­ren Rhyth­mus ent­ste­hen, ins­ge­samt weni­ger Dreh­zei­ten und gleich­zei­tig weni­ger Sprech­pau­sen im Film, was bedeu­tet, die Dar­stel­len­den spre­chen inein­an­der. Hier kön­nen meh­re­re Ton­an­geln, das heißt, ein grö­ße­res Team, die Auf­nah­me der Ori­gi­nal­tö­ne bes­ser abdecken.

Oft ist Ton das letz­te Glied und je nach­dem wie die Pro­duk­ti­on und die Dreh­ar­bei­ten sich ent­wi­ckeln, wird das Bud­get zum Ende hin klei­ner und klei­ner, das bestä­tigt auch Bon­se im direk­ten Media­Tech Hub-Gespräch. Es gehe aber umge­kehrt all­ge­mein dahin, dass der Post-Pro­duk­ti­ons-Auf­wand gegen­über der Pro­duk­ti­on ste­tig zuneh­me, was in der Bud­ge­tie­rung berück­sich­tigt wer­den müsse.

Bei „Der Schwarm“ sind neben Sound­de­sign vie­le visu­el­le Effek­te wesent­li­cher Bestand­teil des Pro­duk­ti­ons­pro­zes­ses. Und auch hier kommt dem Ton eine bedeu­ten­de Rol­le zu. Denn um die am Com­pu­ter gene­rier­ten fan­tas­ti­schen Wel­ten, Krea­tu­ren oder Ele­men­te wie Eis­ber­ge oder Feu­er rea­lis­tisch aus­se­hen zu las­sen, benö­ti­gen die VFX-Antei­le eine Ton­ge­stal­tung. Erst im Zusam­men­spiel von Bild und Ton wer­den sie nicht nur visu­ell als real wahr­ge­nom­men, son­dern zum wirk­li­chen Bestand­teil der Geschich­te. Digi­ta­les Was­ser, digi­ta­ler Him­mel – all das kann immer nur ein Kom­pro­miss sein, der sich erst im Zusam­men­spiel mit Bild und Ton zu einem wirk­li­chen Bestand­teil der Geschich­te entwickelt.

Ab 6. März läuft „Der Schwarm“ um 20.15 Uhr im ana­lo­gen Fern­se­hen bei ZDF. Die ers­ten drei Tei­le sind bereits vor­ab in der Media­thek zu sehen: https://​www​.zdf​.de/​s​e​r​i​e​n​/​d​e​r​-​s​c​h​w​a​r​m​/​s​c​h​w​a​r​m​-​l​a​n​g​t​r​a​i​l​e​r​-​1​0​4.html

Titel­bild: © ZDF/​Staudinger + Fran­ke / [M] Serviceplan 

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