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LED-Wall statt Green­screen: Vir­tu­al Pro­duc­tion erfin­det die Film­welt neu

#mediatech­t­alk: Vir­tu­al Pro­duc­tion – the next big thing

Eine digi­ta­le Kulis­se in Echt­zeit statt Dreh­ar­bei­ten vor Green­screen: Das ver­spricht Vir­tu­al Pro­duc­tion. Zukünf­tig wird in rie­si­gen LED-Stu­­di­os gefilmt, in denen jedes belie­bi­ge Set­ting, ein Dreh­ort oder ein bestimm­ter Hin­ter­grund als Con­tent pro­ji­ziert wird und das wäh­rend die Kame­ra läuft. Für Regisseur:innen und Schauspieler:innen erge­ben sich dadurch ganz neue Mög­lich­kei­ten der Inter­ak­ti­on und des Geschich­ten­er­zäh­lens. Aber auch der Pro­zess des Fil­me­ma­chens erfährt eine Ver­än­de­rung. Die Tech­no­lo­gie bedingt eine neu­ar­ti­ge Pla­nung und Vor­ge­hens­wei­se bei Pro­duk­ti­on und Post-Pro­­duk­­ti­on. Wäh­rend an der einen Stel­le zum Bei­spiel stark finan­zi­ell in die Tech­no­lo­gie inves­tiert wer­den muss, las­sen sich an ande­rer Stel­le gro­ße Sum­men sparen.

Am Stand­ort Pots­­dam-Babels­­berg sind in den letz­ten Mona­ten gleich zwei Vir­tu­al Pro­duc­tion Stu­di­os ent­stan­den. Die DARK BAY GmbH hat mit dem „Volu­me“ inner­halb kur­zer Zeit dort eine der größ­ten LED-Fes­t­in­stal­la­­ti­on die­ser Art in Euro­pa ein­ge­rich­tet. Ein fle­xi­bles LED-Stu­­dio ist dage­gen die „Halos­ta­ge“ der Gesell­schaf­ter Kame­ra Lud­wig, LAVAlabs und ICT Halos­ta­ge, die noch wei­te­re LED-Stu­­di­os in Ber­lin und Bran­den­burg pla­nen. Ihr Stu­dio ver­fügt über ein LED-Volu­­me mit über 1000 Quadratmetern.
Beim #mediatech­t­alk am 22. Juni 2021 spra­chen wir mit den bei­den Exper­ten Phil­ipp Klaus­ing, Mana­ging Direc­tor der DARK BAY GmbH, und Erik Wolff, Vor­stand der ICT-AG, über die krea­ti­ven und tech­no­lo­gi­schen Mög­lich­kei­ten von Vir­tu­al Production.
Sie berich­ten aus ers­ter Hand von den neu­en Mög­lich­kei­ten und den Aus­wir­kun­gen auf die Film­pro­duk­ti­on, wel­che die LED-Walls mit sich brin­gen. In das Gespräch stei­gen bei­de mit einer The­se ein.

„Vir­tu­al und Mixed Rea­li­ty Pro­duc­tion ist mehr als eine Stu­dio­hal­le, kein blo­ßes Ren­tal Pro­dukt, das man mie­tet. Es ist eine Pro­duk­ti­ons­form.“, so Phil­ipp Klaus­ing von DARK BAY.

Und Erik Wolff ergänzt: „Wir haben es mit einer Tech­no­lo­gie zu tun, die eine rie­si­ge Chan­ce bie­tet – es ist die Chan­ce, Fil­me­ma­chen zu ver­än­dern und neu zu erfin­den. Es birgt Poten­zi­al zu Kos­­ten- und Zeit­ein­spa­rung, aber vor allem krea­ti­ves Poten­ti­al. Dafür braucht es Tech­no­lo­gie­trei­ber, Infra­struk­tur und Fachpersonal.“

Krea­tiv­po­ten­ti­al, Kos­ten­ein­spa­run­gen und ganz neue Berufsbilder

Die Bezeich­nung Vir­tu­al Pro­duc­tion greift dabei eigent­lich zu kurz und lässt sich mit Mixed Rea­li­ty bes­ser defi­nie­ren. Denn wäh­rend die Inhal­te digi­tal auf der LED-Wall ein­ge­spielt wer­den, agie­ren im Vor­der­grund die Schauspieler:innen in ech­ten Kulis­sen. Idea­ler­wei­se wird die Sze­ne mit einer 3D-Kame­ra getrackt, sodass ein par­al­la­xen­ge­treu­es Bild in der Kame­ra ent­steht. Das Film­or­te dadurch authen­ti­scher dar­ge­stellt wer­den kön­nen, ist für Filmemacher:innen sicher die größ­te Beson­der­heit. Das ist nicht unbe­dingt bei einem Tat­ort-Dreh in Müns­ter oder Ham­burg der Fall, aber aus­schlag­ge­bend für die Ent­ste­hung fan­tas­ti­scher Wel­ten oder Sze­nen, die zum Bei­spiel auf dem Mond und Mars oder ganz irdi­schen, aber schwer zugäng­li­chen Orten wie dem Mount Ever­est spie­len. Auch auf die Serie „1899“ trifft das zu, denn sie erzählt von Auswander:innen, die sich im ver­gan­ge­nen Jahr­hun­dert mit einem Dampf­schiff auf eine Atlan­tik­über­fahrt begeben.
Phil­ip Klaus­ing führt am Bei­spiel der Net­f­lix-Pro­­duk­­ti­on wei­ter aus: „Wir haben wäh­rend des Lock­downs im ver­gan­ge­nen Jahr ange­fan­gen, die Dreh­bü­cher zu schrei­ben und muss­ten uns über­le­gen: Wie erzäh­len wir eine pan­eu­ro­päi­sche Serie, die nicht nur auf dem Nord­at­lan­tik son­dern auch an Dreh­or­ten in Spa­ni­en, Schott­land, Däne­mark spielt? Wie sicher sind wir mit Außen­dreh­or­ten wäh­rend der Pan­de­mie? Eine Stu­dio­um­ge­bung, vor Wind und Wet­ter geschützt, war da nahe­lie­gend.“ Das war für DARK WAYS GmbH ein aus­ch­lag­ge­ben­der Punkt, um die DARK BAY GmbH zu grün­den. Abge­se­hen von der ver­ein­fach­ten Logis­tik und einer siche­ren Stu­dio­um­ge­bung bie­tet Vir­tu­al Pro­duc­tion aus künst­le­ri­scher Sicht in Bezug auf Licht­set­zung wei­te­re Vor­tei­le. Am Com­pu­ter erzeug­te Hin­ter­grün­de leuch­ten nor­ma­ler­wei­se nicht real in das Set. Sie kre­ieren kei­ne Reflek­tio­nen, wie sie in der Rea­li­tät auf spie­geln­den Ober­flä­chen wie Pfüt­zen, Auto­dä­chern oder Metall­hel­men wahr­ge­nom­men wer­den. Manch­mal kann das nur ein Son­nen­strahl sein, der auf den Boden fällt. Das schafft ein natür­li­ches Licht und wird vom mensch­li­chen Auge sofort als sol­ches wahr­ge­nom­men. Dank der rie­si­gen LED-Walls kommt die Beleuch­tung wirk­lich­keits­nah an. Die ent­spre­chen­den Hin­ter­grund­wel­ten lie­fern Dienst­lei­ter an, die mit der Krea­ti­on digi­ta­ler Wel­ten ver­traut sind und teils aus der Games-Bran­che kommen.

Vor­tei­le und Nachteile

Aber trotz aller Vor­tei­le gibt es auch bei einer LED-Stage Restrik­ti­on – The­men wie Colours­hif­ting, Fokus und Unschär­fe oder der Moi­­ré-Effekt wur­den im #mediatech­t­alk genau­er dis­ku­tiert. Hier gel­te es die Gren­zen und Poten­tia­le der Tech­no­lo­gie aus­zu­lo­ten, so Wolff. Mit sei­nem Team ent­wi­ckelt er dafür eige­ne LEDs, die Reflek­tio­nen ver­bes­sern oder arbei­tet mit Warn­sys­te­men, wel­che die fil­mi­schen Grenz­be­rei­che aufzeigen.

Die gro­ße Her­aus­for­de­rung und gleich­zei­tig Chan­ce besteht in der Aus­bil­dung des Fach­per­so­nals - dar­in sind sich bei­de Exper­ten einig. Film­stu­di­os mit LED-Walls bie­ten auf der einen Sei­te unend­li­che Mög­lich­kei­ten, auf ande­ren Ebe­nen gibt es Begren­zun­gen. Filmemacher:innen müs­sen ver­ste­hen, wie sie mit Kame­ra und Tie­fen­schär­fe arbei­ten oder aus Bewe­gun­gen der Schauspieler:innen vor der LED-Wall das Maxi­ma­le raus­ho­len. Set-Designer:innen und das Art Depart­ment müss­ten im Vor­feld pla­nen, wie sie rea­le phy­si­sche Sets bau­en, die mit dem Hin­ter­grund har­mo­nie­ren. Der Pla­nung im Vor­feld kommt eine gro­ße Bedeu­tung zu, wäh­rend gan­ze Post-Pro­­duk­­ti­ons­­schri­t­­te nun ent­fal­len können.

„Wir haben ein Schiffs­deck im pras­seln­den Regen auf dem Nord­at­lan­tik gefilmt und konn­ten direkt am Abend das Mate­ri­al schnei­den und vom Kun­den sich­ten las­sen. Das ist ein gro­ßer Vor­teil und die Anstren­gung an ande­ren Stel­len wert.“, so Klaus­ing. Die Zeit­ein­spa­rung bei Post-Pro­­duk­­ti­on kommt der Zusam­men­ar­beit mit vie­len Stre­a­­ming-Anbie­­tern ent­ge­gen, die zeit­lich oft eng getak­tet sind. Für ande­re ist nicht die Zeit­ein­spa­rung der ent­schei­den­de Vor­teil, son­dern das Krea­tiv­po­ten­ti­al jede Inves­ti­ti­on wert.

Noch ist die Arbeits­wei­se mit der LED-Tech­­no­­lo­­gie für vie­le akti­ve Film­schaf­fen­de ein „Lear­ning on the Job“. Inner­halb des Media­Tech Hub Pots­dam und am Film­stand­ort Pots­­dam-Babels­­berg arbei­ten die Akteur:innen aus Film­in­dus­trie, Film­hoch­schu­le und For­schungs­ein­rich­tun­gen eng zusam­men. Denn mit der Inves­ti­ti­on in Vir­tu­al Pro­duc­tion ent­ste­he hier die gro­ße Chan­ce, den Film­markt in den nächs­ten Jah­ren ent­schei­dend zu beein­flus­sen und vor­an­zu­trei­ben, dar­in sind sich die Exper­ten einig.

Zusatz­in­fos:

Gera­de wur­de das „Volu­me“ von Dark Ways bei den VR Now Awards mit dem Preis für die bes­te VR Tech­no­lo­gy ausgezeichnet.
https://​pro​jekt​zu​kunft​.ber​lin​.de/​n​e​w​s​/​n​e​w​s​-​d​e​t​a​i​l​/​v​i​e​r​-​v​r​-​n​o​w​-​a​w​a​r​d​s​-​f​u​e​r​-​b​e​r​l​i​n​e​r​-​x​r​-​p​r​ojekte

Dark Ways GmbH:
http://​dark​-ways​.com/

DARK BAY GmbH
https://​www​.dark​-bay​.com/

Halos­ta­ge / ICT-AG:
https://​www​.ict​.de/

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