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Ope­rie­ren im vir­tu­el­len Raum

Mit Hil­fe von Vir­tu­al Rea­li­ty wer­den Chir­ur­gen spie­le­risch an Ope­ra­ti­ons­ro­bo­tern geschult. 

Prä­zi­se Schnit­te, klei­ne Wun­den: Wenn Chir­ur­gen zukünf­tig mit­hil­fe der ver­län­ger­ten Arme von OP-Robo­tern mini­mal-inver­si­ve Chir­ur­gie, also kleins­te Schnit­te im Gewe­be durch­füh­ren, dann haben sie das womög­lich vor­her mit­hil­fe des Vir­tu­al Rea­li­ty-Trai­nings­pro­gramms des Pots­da­mer Ani­ma­ti­ons­stu­di­os Baby Giant Hol­ly­berg eingeübt.

Für Ava­te­ra, ein Her­stel­ler von medi­zi­ni­schen Robo­tern mit Sitz in Jena, haben die VR-Exper­ten eine digi­ta­le Umge­bung mit meh­re­ren Leveln geschaf­fen, die die Chir­ur­gen im Umgang mit dem Robo­ter trai­niert. Ein Trai­ning, das im Vor­feld nötig ist, um über­haupt die Ope­ra­ti­ons­li­zenz zu erwerben.

Medi­zin­ro­bo­ter sind mitt­ler­wei­le beson­ders in der Chir­ur­gie gefragt und wer­den dort bei Schlüs­se­l­ope­ra­tio­nen in der Gynä­ko­lo­gie und Uro­lo­gie ein­ge­setzt. Prä­zi­ses und vor­sich­ti­ges Arbei­ten ist ein wich­ti­ger Garant für gelun­ge­ne Ope­ra­tio­nen. Anstel­le der berühm­ten „ruhi­gen Hand“ des Arz­tes über­nimmt der ver­län­ger­te Arm in Form des tech­ni­schen Assistenten.

Das Modell von Ava­te­ra könn­te auch einem Sci­ence-Fic­tion-Film­set ent­sprun­gen sein. Mit vier gro­ßen Armen thront es im OP-Saal und wird über einen Com­pu­ter gesteu­ert. Für das Trai­nings­pro­gramm sitzt man am Con­trol­ler und lehnt sich gleich­zei­tig mit dem Kör­per in die VR-Bril­le. Zusam­men mit zwei ande­ren Part­ner­fir­men, die die Pro­gram­mie­rung (ITK Engi­nee­ring, Ber­lin) und das User­in­ter­face (Design­Lab, Wei­mar) über­nom­men haben, hat Baby Giant Hol­ly­berg im kol­la­bo­ra­ti­ven Ansatz für die digi­ta­le Simu­la­ti­on gesorgt und Kon­zept sowie Visua­li­sie­rung entwickelt.

Dafür war im Vor­feld eine bestimm­te Her­an­ge­hens­wei­se wich­tig. Das VR-Trai­nings­pro­gramm muss­te die Nut­zer an grund­sätz­li­che Funk­tio­na­li­tä­ten her­an­füh­ren und dann die Fein­hei­ten aus­üben las­sen, die im Ope­ra­ti­ons­saal spä­ter so lebens­wich­tig sind.
„Wie schaf­fen wir es, ein Trai­ning so zu gestal­ten, dass es moti­vie­rend ist?“ lau­te­te außer­dem eine wich­ti­ge Fra­ge bei der Kon­zep­ti­on. Dazu bau­ten das Team um Baby Giant Hol­ly­berg High­score-Lis­ten, Hür­den für das nächs­te Level und Erin­ne­rungs­mails ein. Die Gami­fi­ca­ti­on-Ele­men­te hal­ten die Nut­zer bei der Stan­ge und sor­gen für Erfolgs­mo­men­te. Inner­halb der zwölf Level gilt es, einen gan­zen Par­cours an Auf­ga­ben zu meis­tern. Statt mit Blut­ge­fä­ßen und Ner­ven­strän­gen han­tie­ren die Chir­ur­gen in der digi­ta­len Simu­la­ti­on mit Lego­stei­nen, die sie in Boxen sor­tie­ren, Glas­ku­geln, die aus Scha­len geho­ben wer­den, ohne zu zer­bre­chen oder Nadel mit Faden, der um unter­schied­li­che Flä­chen her­um­ge­führt wer­den muss. Spie­le­risch steu­ern sie so Schritt für Schritt auf die Fer­tig­kei­ten zu, die dann bei der rea­len OP zum Ein­satz kom­men. Für die rich­ti­ge Atmo­sphä­re neh­men sie im Hin­ter­grund durch die VR-Bril­le in Unschär­fe den Ope­ra­ti­ons­saal wahr.

Nun ist die Ziel­grup­pe, ins­be­son­de­re die erfah­re­nen, älte­ren Chir­ur­gen nicht als typi­sche Gamer- und Spiel­kon­so­len-Fans bekannt. Für sie galt es, ein Pro­gramm zu gestal­ten, das nicht zu auf­ge­bla­sen wirkt oder vom Wesent­li­chen ablenkt, aber gleich­zei­tig for­dernd genug ist. Die­se Balan­ce zwi­schen Unter­hal­tung, Anspruch und visu­ell anspre­chen­der Gestal­tung brin­gen die VR-Spe­zia­lis­ten aus Babels­berg durch ihre jah­re­lan­ge Arbeit im Enter­tain­ment-Bereich mit ein. Als Ani­ma­ti­ons- und Vir­tu­al-Rea­li­ty-Stu­dio mit Sitz in Pots­dam-Babels­berg und Los Ange­les kom­men sie eigent­lich aus der Film­bran­che. Mitt­ler­wei­le aller­dings ent­ste­hen ihre Arbei­ten größ­ten­teils für Indus­trie­kun­den, die sie mit Vir­tu­al Rea­li­ty, Exten­ded Rea­li­ty, Aug­men­ted Rea­li­ty und Mixed Rea­li­ty-Anwen­dun­gen unterstützen.

„Es geht bei Sto­rytel­ling im Indus­trie­be­reich nicht um das klas­si­sche Geschich­ten­er­zäh­len. Mehr um die Aus­sa­ge. Wel­che Aus­sa­ge möch­ten wir wei­ter­ge­ben, wie reden wir intern mit den Mit­ar­bei­tern, was möch­ten wir mit der digi­ta­len Anwen­dung kom­mu­ni­zie­ren? Es dreht sich viel um inter­ne Kom­mu­ni­ka­ti­on.“ so Hei­ko Nem­mert, CEO-Mana­ging Part­ner und Projektleiter.

Im Fall des Ava­te­ra-Pro­jekts ist Vir­tu­al Rea­li­ty hier die Chan­ce, die Medi­zin­tech­nik der Zukunft mit­zu­ge­stal­ten. Ist der Robo­ter im Ein­satz könn­te man theo­re­tisch sogar via Inter­net meh­re Per­so­nen zuschal­ten, die digi­tal einen Blick durch die Bril­le in das Inne­re des Men­schen wer­fen. Ein Spe­zia­list aus New York könn­te so bei­spiels­wei­se direkt zu einer Behand­lung in einem Münch­ner Ope­ra­ti­ons­saal hin­zu­ge­zo­gen wer­den. Hier eröff­nen Medi­zin und Medi­en­tech­no­lo­gie mehr als nur die drit­te Dimension.

Von Chris­ti­ne Lentz

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