2022-04-roadia

Siche­re Stra­ßen und rei­bungs­lo­ser Verkehrsfluss

Wie ROA­DIA mit­tels Künst­li­cher Intel­li­genz das Ver­kehrs­ma­nage­ment wandelt

Die soge­nann­te „Visi­on­Ze­ro“ ist die Visi­on von null Ver­kehrs­to­ten auf den Euro­päi­schen Stra­ßen. Ein ambi­tio­nier­tes Ziel, das die EU-Kom­­mis­­si­on bis ins Jahr 2050 anstrebt. Auch die Haupt­stadt­re­gi­on hat sich sol­che Ziel­vor­ga­ben gesetzt. Momen­tan ist man davon noch weit ent­fernt. So regis­trier­te das Amt für Sta­tis­tik Ber­­lin-Bran­­den­­burg im Febru­ar 2022 einen Anstieg der Ver­kehrs­un­fäl­le um 44,6 Pro­zent auf Ber­lins Stra­ßen im Ver­gleich zum Vor­mo­nat. Und auch in Bran­den­burg ver­un­glück­ten im Febru­ar 16,4 Pro­zent mehr Per­so­nen als im Janu­ar 2022. Selbst, wenn die Sta­tis­ti­ken schwan­ken, sind wir von der Mobi­li­täts­wen­de und Smart­Ci­ties, deren Infra­struk­tur uns sicher durch den Stra­ßen­ver­kehr gelei­tet, noch weit entfernt.

Das Media­Tech Hub Acce­le­ra­tor Start­up ROA­DIA möch­te dies ändern und arbei­tet an intel­li­gen­ten Sen­so­ren, die für mehr Sicher­heit im Stra­ßen­ver­kehr sor­gen. Und nicht nur das. Mit­tels ihrer Hard­ware und Künst­li­cher Intel­li­genz (KI) lässt sich gemein­sam mit Kom­mu­nen und Gemein­den die Ver­kehrs­leit­zen­tra­le der Zukunft ent­wi­ckeln. Um die­ses Ziel zu errei­chen, arbei­tet ROA­DIA an zwei der­zeit unab­hän­gi­gen Lösun­gen, die zukünf­tig zu einem intel­li­gen­ten All-In-One-Sen­­sor ver­schmol­zen wer­den sol­len. Einer­seits han­delt es sich dabei um einen Traf­­fic-Moni­­to­ring-Sen­­sor, der die hän­di­sche Ver­kehrs­zäh­lung ersetzt, ande­rer­seits befin­det sich aktu­ell eine Geschwin­dig­keits­mess­an­la­ge in der Ent­wick­lung, die kurz vor der Zer­ti­fi­zie­rung steht.

Die Idee dazu kam Tobi­as Fischer, einem der Co-Foun­­der, als er beim Fahr­rad­fah­ren mal wie­der von einem Auto mit sehr gerin­gem Abstand über­holt wur­de. Die Ver­kehrs­sta­tis­tik erfasst sol­che „Bei­na­he-Unfäl­­le“ nicht. Aber gera­de indem man Gefah­ren­stel­len für unter­schied­li­che Ver­kehrs­teil­neh­men­de früh iden­ti­fi­zie­ren und behe­ben kann, sorgt man für eine siche­re Mobilität.

KI-basier­­te Sen­so­ren statt manu­el­ler Verkehrszählung

Nun ist Daten­er­fas­sung im Ver­kehr nichts Neu­es, wird aber durch ver­schie­de­ne Akteur:innen und auf die unter­schied­lichs­ten Arten ermit­telt. Bei der klas­si­schen Ver­kehrs­zäh­lung bei­spiels­wei­se sit­zen Per­so­nen mit Klemm­brett und Stift an Stra­ßen­kreu­zun­gen und erfas­sen die Anzahl und Art der vor­bei­fah­ren­den Fahr­zeu­ge. Die heu­ti­gen Ampel­schal­tun­gen zum Bei­spiel funk­tio­nie­ren über Induk­ti­ons­sen­so­ren im Boden, die durch teu­re Bau­maß­nah­men dort instal­liert wer­den müs­sen und einen hohen War­tungs­auf­wand mit sich brin­gen. Der Asphalt wird auf­ge­ris­sen, was zu Stö­run­gen, nicht nur im Ver­kehrs­fluss son­dern auch an dort ver­leg­ten Kabeln und Roh­ren, füh­ren kann. ROA­DIA schafft hier mit­tels KI-basier­­ter Sen­so­ren Abhil­fe. Die­se erfas­sen die ver­schie­de­nen Fahr­zeug­ka­te­go­rien und spa­ren Kom­mu­nen auf die­se Wei­se wert­vol­le Ressourcen.

Ein wei­te­rer wich­ti­ger Fak­tor zu mehr Ver­kehrs­si­cher­heit sind Geschwin­dig­keits­mess­an­la­gen. Dämmt man über­höh­te Geschwin­dig­kei­ten ein, min­dert man auch die Gefah­ren­la­ge auf den Stra­ßen. Die Mes­sun­gen wird mit­tels RADAR, LIDAR, Laser und Licht­schran­ke erfasst. Hier müs­sen ver­schie­de­ne hard­ware­ba­sier­te Kom­po­nen­ten zusam­men­wir­ken, um einen Mess­wert dar­zu­stel­len. Ein Sen­sor erzeugt die Mes­sung, eine Kame­ra doku­men­tiert die­se. Aller­dings: Die Kame­ra kann nicht exakt das dar­stel­len, was der Sen­sor genau macht. Es wird ledig­lich der Rah­men abge­bil­det, inner­halb ein Sen­sor Fahr­zeu­ge oder Berei­che misst. Beein­flus­sen ande­re Fahr­zeug­tei­le die Mes­sung oder ist der Kame­ra­win­kel – zum Bei­spiel durch einen Sturz – ver­rückt, lässt sich das nicht ein­deu­tig nach­ver­fol­gen. ROA­DOA setzt mit der eige­nen Tech­nik des­halb auf bild­ge­ben­de Mes­sung. Was die Kame­ra optisch erkennt und dar­stellt, ent­spricht genau dem, was tat­säch­lich gemes­sen wird. Dafür braucht es kei­nen wei­te­ren exter­nen Sen­sor, son­dern die Kame­ra misst punkt­ge­nau am Fahr­zeug. Die­se soge­nann­ten Mess­punk­te sind als ein Teil der Roh­da­ten spä­ter für alle Betei­lig­ten nach­voll­zieh­bar und transparent.

Prä­zi­se Ver­kehrs­mes­sung die Kos­ten und Zeit spart

Die Sen­so­ren, die ROA­DIA hier in Pots­dam ent­wi­ckelt, funk­tio­nie­ren KI basiert. Das Kon­zept kann man sich ähn­lich vor­stel­len wie bei selbst­fah­ren­den Autos, nur dass sie kein fah­ren­des, son­dern ein sta­tio­nä­res Sys­tem dar­stel­len. Die Traf­­fic-Moni­­to­ring-Sen­­so­­ren erken­nen ein sich im Raum bewe­gen­des Objekt und kön­nen die­ses ver­ar­bei­ten. Bei einem Groß­pro­jekt von ROA­DIA im Auf­trag des Lan­des Schles­­wig-Hol­stein im ver­gan­ge­nen Jahr wur­de bei­spiels­wei­se zeit­gleich an 140 Mess­stel­len mit den Sen­so­ren zur Erfas­sung der Ver­kehrs­da­ten gear­bei­tet. Die dar­aus ent­stan­de­nen belast­ba­ren Daten sind wich­tig, um den Städ­ten und Kom­mu­nen zu signa­li­sie­ren: Wo häuft sich der Ver­kehr? Wann müs­sen Stra­ßen gewar­tet wer­den? Wo soll­ten Stra­ßen erwei­tert wer­den, weil der Ver­kehr zuge­nom­men hat?

„Wir auto­ma­ti­sie­ren die­sen Pro­zess“, erläu­tert Co-Foun­­der Mar­kus Hant­sch­mann. „Wir machen Sen­so­ren intel­li­gent und trai­nie­ren eige­ne neu­ro­na­le Netz­wer­ke. Dazu erstel­len wir eige­ne Soft­ware, die auf der Hard­ware selbst rech­nen kann und Infor­ma­tio­nen erzeugt, die optio­nal auch in Echt­zeit wei­ter­ver­ar­bei­tet wer­den können.“

Das geht über die rei­ne Digi­tal­entwick­lung hin­aus. Die Daten­er­he­bung funk­tio­niert auto­ma­ti­siert und ist kos­ten­ef­fi­zi­en­ter. Durch die loka­le Erfas­sung der Daten auf den Sen­so­ren spart man sich außer­dem den Umweg über eine Cloud, die ver­hält­nis­mä­ßig lang­sam arbei­tet. „Wir kön­nen auch mes­sen, was bis­her nicht mess­bar war: Distan­zen wie die Sei­ten­ab­stän­de beim Über­ho­len etwa“, so Hant­sch­mann. Das wird bis­her nur durch­ge­führt, wenn es einen Gefah­ren­schwer­punkt gibt. Dann wer­den dort hän­disch Abstän­de am Boden ein­ge­zeich­net und über­prüft, ob die gesetz­ten Mar­kie­run­gen über­fah­ren werden.

Unfall­schwer­punk­te erken­nen und vermeiden

Auch wenn die ROA­DI­As Tech­nik welt­weit ein­setz­bar ist: Jedes Land, sogar jedes Bun­des­land hat unter­schied­li­che Richt­li­ni­en, nach denen Ver­kehrs­er­he­bun­gen funk­tio­nie­ren. Das Pots­da­mer Start­up trackt, was vor­her defi­niert wur­de. Typi­sche Klas­sen, also Klas­si­fi­zie­run­gen der Fahr­zeu­ge, die häu­fig getrackt wer­den, sind etwa die 5 plus 1-Klas­­si­­fi­­zie­rung, die neben Pkws auch Motor­rä­der, Mopeds, Last­ver­kehr und Bus­se umfasst. Für ROA­DIA ist es dar­über hin­aus mög­lich, Fahr­rä­der von Las­ten­rä­dern zu unter­schei­den. Es braucht dafür die glei­che Distanz und Aus­gangs­si­tua­ti­on, damit die dahin­ter­ste­hen­de künst­li­che Intel­li­genz die Daten ver­ar­bei­ten kann. Mit­tels Tra­­jek­­to­ri­en-Berech­­nung kann gezeigt wer­den, wo sich wel­ches Fahr­zeug zu wel­chem Zeit­punkt befin­det, wel­che Fahr­strei­fen und Fahr­we­ge ver­stärkt genutzt wer­den und dar­aus fol­gend, wie die Ver­kehrs­si­tua­ti­on an der jewei­li­gen Mess­stel­le ist. Über­schnei­den sich zum Bei­spiel zwei Spu­ren zeit­lich häu­fig, sieht man, wo es brenz­lig wird. Typi­sche Unfall­schwer­punk­te in Städ­ten sind unter ande­rem Schu­len und Kin­der­gär­ten sowie Senio­ren­hei­me und ande­re Stra­ßen­ab­schnit­te, an denen sich die Ver­kehrs­ge­schwin­dig­keit ändert. Die intel­li­gen­ten Algo­rith­men kön­nen Fahr­zeug­ka­te­go­rien prä­zi­ser als bis­her erken­nen und um indi­vi­du­ell defi­nier­ba­re Zusatz­klas­sen ergänzt wer­den. „Man kann zukünf­tig Fahr­rad­ver­kehr mit­mes­sen und in die Ampel­schal­tung inte­grie­ren. Oder Ampeln so ein­rich­ten, dass sie auf ankom­men­des Blau­licht von Ein­satz­fahr­zeu­gen reagie­ren und direkt die Ampeln des Quer­ver­kehrs auf Rot schal­ten. Die Mög­lich­kei­ten sind da, die Umset­zung muss natür­lich getes­tet und genau defi­niert wer­den.“, so Hantschmann.

Die Ver­kehrs­leit­zen­tra­le von mor­gen ist digital

Lang­fris­tig möch­te ROA­DIA die Infra­struk­tur in Deutsch­land und Euro­pa opti­mie­ren. Aktu­ell arbei­tet das Team pro­jekt­be­zo­gen. Wäh­rend Geschwin­­di­g­keits- und Abstands­mes­sun­gen für Poli­zei und Ord­nungs­äm­ter inter­es­sant sind, ist die Infra­struk­tur­op­ti­mie­rung ein The­ma im pri­vat­wirt­schaft­li­chen Bereich. Span­nend sind auch die soge­nann­ten als Real­la­bo­re aus­ge­wie­se­nen Pro­jek­te, die in ver­schie­de­nen Städ­ten ohne Regu­lie­run­gen (digi­ta­le) Mobi­li­tät erkun­den las­sen. Eine Opti­mie­rung der Infra­struk­tur und ein bes­se­res Zusam­men­spiel aller Ver­kehrs­teil­neh­men­den sorgt nicht nur für rei­bungs­lo­sen und siche­ren Ver­kehr, auch die Umwelt kann pro­fi­tie­ren. So ist zum Bei­spiel der Stop-and-go Ver­kehr Haupt­schul­di­ger für den CO2-Aus­­­stoß auf unse­ren Straßen.

Das Team von ROA­DIA tüf­telt dazu an der Mess­tech­nik und tes­tet die Sen­so­ren auf deut­schen Stra­ßen. In Pots­dam sind sie zudem nach der erfolg­rei­chen Teil­nah­me des Media­Tech Hub Acce­le­ra­tors mit ihren Geschäfts­räu­men im Media­Tech Hub Spaces prä­sent, wo sie sich regel­mä­ßig mit ande­ren Start­ups aus­tau­schen. Ein recht­li­cher Rat oder Unter­la­gen für die Per­so­nal­ein­stel­lung wer­den hier schnell von Hand zu Hand wei­ter­ge­ge­ben. Denn nicht an der Ent­wick­lung oder am Markt­ein­stieg zei­gen sich oft die Her­aus­for­de­run­gen für Grün­der­teams - Hür­den lie­gen meist an ande­ren Stel­len. Über­rascht habe ROA­DIA, so Hant­sch­mann, dass nicht die Mit­ar­­bei­­ten­­den-Suche das Pro­blem dar­stel­le, son­dern die Inte­gra­ti­on der neu­en Mit­ar­bei­ten­den in der Groß­stadt­re­gi­on – von Anmel­de­for­ma­li­tä­ten bis hin zur Woh­nungs­su­che ver­su­che man stets, dabei zu unterstützen.
Denn ROA­DIA wächst, hat mitt­ler­wei­le Mit­ar­bei­ten­de aus acht ver­schie­de­nen Län­dern, ent­wi­ckelt markt­fä­hi­ge Lösun­gen ste­tig wei­ter und strebt Part­ner­schaf­ten mit Kom­mu­nen und ande­ren Markt­teil­neh­men­den an.

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Die Medientechnologien der Zukunft werden bereits heute angewendet – nicht nur im Entertainmentbereich sondern in den unterschiedlichsten Branchen. Für unseren MediaTech Hub Potsdam Blog spricht Christine Lentz einmal im Monat mit Tech-Enthusiast:innen, Unternehmer:innen und Forscher:innen und erzählt die Geschichten, die hinter ihren innovativen Geschäftsmodellen, Ideen, Projekten oder Kooperationen stecken.