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Wie der volu­me­tri­sche Film das Kino und unse­re Seh­ge­wohn­hei­ten verändert

Seit zwei Jah­ren ist das Volu­cap fes­ter Bestand­teil des Stu­dio­ge­län­des in Pots­dam-Babels­berg. Bereits zu sei­ner Eröff­nung galt das Stu­dio als Mei­len­stein und ist welt­weit das ers­te volu­me­tri­sche Pro­duk­ti­ons­stu­dio mit einer Auf­lö­sung von über 600 Mega­pi­xel. Wie hat sich das Stu­dio ent­wi­ckelt? Was ist jetzt, zwei Jah­re nach der Eröff­nung pas­siert? Das woll­ten wir von Sven Blie­dung, Geschäfts­füh­rer der Volu­cap GmbH, wissen.

Nach­dem sich ein Betrei­ber­kon­sor­ti­um aus den Unter­neh­men Arri Cine Tech­nik, Fraun­ho­fer Hein­rich-Hertz-Insti­tut, Inter­la­ke Sys­tem, Stu­dio Babels­berg und UFA zusam­men­ge­schlos­sen hat­te, fiel im Juni 2018 der Start­schuss. Seit­dem las­sen sich hier im Volu­cap mit Hil­fe spe­zi­el­ler Kame­ra- und Soft­ware­tech­nik Per­so­nen lebens­echt drei­di­men­sio­nal auf­neh­men, digi­tal bear­bei­ten und wie Holo­gram­me in eine Vir­tu­al Rea­li­ty oder Aug­men­ted Rea­li­ty Umge­bung ein­bet­ten. Beson­ders die hohe Kame­ra­auf­lö­sung ermög­licht eine sehr detail­ge­treue foto­rea­lis­ti­sche drei­di­men­sio­na­le Auf­nah­me von Per­so­nen in Bewe­gung (soge­nann­te volu­metric cap­tures - volucaps).

Betritt man einen Teil des Stu­dio­kom­ple­xes im fx​.Cen​ter Pots­dam-Babels­berg, steht man in einem gro­ßen hell aus­ge­leuch­te­ten run­den wei­ßen Raum. Rund­her­um sind in die­ser wei­ßen Rotun­de 32 hoch­auf­lö­sen­de Kame­ras ver­baut, die an eine spe­zi­el­le 3D-Tech­no­lo­gie geknüpft sind. „Wir haben für die ers­te Pha­se nach der Grün­dung aus­schließ­lich an VR- und AR-Pro­jek­te gedacht und die Zeit, die wir brau­chen, die Qua­li­tät für Kino­pro­duk­tio­nen zu errei­chen, auf fünf bis sechs Jah­re geschätzt.“ erklärt Sven Blie­dung die ursprüng­li­chen Erwartungen.
Es kam ganz anders und vor allem schnel­ler: Bereits jetzt arbei­tet er mit sei­nem Team an einer inter­na­tio­na­len Kino­pro­duk­ti­on. Wel­che das ist, kann Blie­dung noch nicht ver­ra­ten. Hier zahlt sich neben der inno­va­ti­ven Tech­nik die Nähe zum Film­stu­dio Babels­berg aus, das regel­mä­ßig gro­ße Hol­ly­wood-Pro­duk­ti­on bei sich zu Gast hat. Kur­ze Wege auf dem Stu­dio­ge­län­de sowie Kon­tak­te in die Bran­che und schnel­le Abspra­chen zwi­schen Poli­tik und För­de­rung tun ihr übriges.

Inner­halb von zwei Jah­ren hat sich Volu­cap eta­bliert und von Wer­bung über Musik, Kunst und Gam­ing bis hin zu Indus­trie Pro­jek­te in ver­schie­de­nen Bran­chen rea­li­siert. Zu den ers­ten Kun­den zähl­ten nach der Eröff­nung Sport­ler und Musi­ker. Zum Bei­spiel wur­de für einen vor­ab von einer ande­ren Fir­ma ent­wi­ckel­ten digi­ta­len Bas­ket­ball­court ein Sport­ler samt sei­ner Bewe­gung ein­ge­scannt und dann auf den Platz trans­fe­riert. Mit Musi­kern wie den Fan­tas­ti­schen Vier und The Boss Hoss lie­ßen sich volu­me­trisch abfil­men und pro­du­zier­ten inter­ak­ti­ve Ver­sio­nen ihrer selbst.
Den­noch steht die Tech­nik des volu­me­tri­schen Films ganz am Anfang. „Wir sind an der Gren­ze von dem, was tech­nisch gera­de geht.“, so Blie­dung. Vie­le Fir­men in Ber­lin und Bran­den­burg konn­ten zuerst mit der von Volu­cap ange­bo­te­nen Tech­nik wenig anfan­gen. Das Team um Sven Blie­dung hat­te viel Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ar­beit zu leis­ten und vor allem tech­ni­sche Hil­fe­stel­lung zu geben. Die ein­ge­scann­ten Daten muss­ten auf der Kun­den­sei­te ver­wert­bar sein. Lösun­gen dafür hat Volu­cap selbst ent­wi­ckelt, um die Zuar­beit der Daten mög­lichst ein­fach zu gestal­ten und in unter­schied­li­che Video­pro­gram­me ein­bau­en zu kön­nen. Ren­de­ring, Tusche – wie im Film kom­men auch hier im Pro­zess vie­le Dis­zi­pli­nen zusam­men, die Daten der digi­ta­len Per­so­nen müs­sen dafür rich­tig ein­ge­passt und bear­bei­tet wer­den kön­nen. Neue, schnel­le und unkon­ven­tio­nel­le Wege fin­den: Die Start­up-Men­ta­li­tät inner­halb des Teams zahlt sich aus.

Aber nicht nur die Tech­nik auf Kun­den­sei­te muss­te ver­mit­telt wer­den, auch die Seh­ge­wohn­heit der Kon­su­men­ten hält noch nicht mit den drei­di­men­sio­na­len Kino­er­leb­nis­sen Schritt. Das ist ver­gleich­bar mit der Zeit, als das Kino in den Kin­der­schu­hen steck­te und ein her­an­fah­ren­der Zug auf der Lein­wand die Zuschau­er erst­mal in Angst und Schre­cken ver­setz­te. Im volu­me­tri­schen Film sind Bild­spra­che und Kame­ra­win­kel neu, aber auch die Her­an­ge­hens­wei­se, wie sich Gefüh­le und Geschich­ten dar­stel­len las­sen. Bis zum mas­sen­kom­pa­ti­blen Medi­um ist der Weg zwar weit, aber der begeh­ba­re Film ist hier in Babels­berg kei­ne Zukunfts­mu­sik mehr. Mit­tels VR-Bril­le kön­nen sich die Zuschau­er in einer Aug­men­ted Rea­li­ty-Pro­duk­tio­nen bewe­gen und den volu­me­trisch auf­ge­nom­me­nen Schau­spie­lern selbst begeg­nen, um sie her­um­lau­fen oder sie aus der Fer­ne in den Sze­nen beobachten.

Ein beson­de­res Pro­jekt ist zum Bei­spiel auch die „Tages­schau 2025“, ent­wi­ckelt für die IFA 2019. Die drei­di­men­sio­na­le Ver­si­on der bekann­ten Nach­rich­ten­sen­dung, natur­ge­mäß ein nüch­ter­nes For­mat, das von Authen­ti­zi­tät lebt, zeig­te Mode­ra­to­rin Lin­da Zer­va­kis als authen­ti­sche digi­ta­le Per­son. Die Besu­cher der IFA konn­ten mit­tels Augemen­ted Rea­li­ty die Tages­schau im Wohn­zim­mer sehen, Fotos mit der Mode­ra­to­rin machen, sie sahen die bren­nen­de Kathe­dra­le von Not­re-Dame qua­si live und beim Wet­ter­be­richt begann es zu reg­nen. Hier zeigt sich, wie sich mit der neu­en drei­di­men­sio­na­len Dar­stel­lung auch die fil­mi­sche Auf­be­rei­tung von Doku­men­ta­tio­nen, Sport­erleb­nis­sen oder Kon­zer­ten ver­än­dern wird. Die Nut­zer kön­nen selbst anfan­gen, Con­tent zu gene­rie­ren, sie ste­hen mit ihren Lieb­lings­mu­si­kern auf der Büh­ne, oder bekom­men, wie beim jüngs­ten Pro­jekt, dem Kurz­film „Ernst Gru­be – Das Ver­mächt­nis“ über einen Holo­caust-Über­le­ben­den, einen emo­tio­na­le­ren Zugang zu geschicht­li­chen Ereig­nis­sen. Die Zeit­zeu­gen­do­ku­men­ta­ti­on soll in Muse­en und Schu­len als begeh­ba­rer Film die euro­päi­sche Erin­ne­rungs­kul­tur ein­drück­lich und leben­dig vermitteln.

Mit der Ent­wick­lung der letz­ten zwei Jah­re ist die Dar­stel­lung der ein­ge­scann­ten Per­so­nen immer schär­fer und genau­er gewor­den. Vir­tu­al Rea­li­ty kommt im Con­su­mer-Seg­ment an. Das zeigt auch das wach­sen­de Ange­bot von Mixed Rea­li­ty Bril­len auf dem Markt, die sich weg von den klo­bi­gen und gro­ßen Model­len der ers­ten Gene­ra­ti­on hin zu einem nut­zer­freund­li­chen Modell ent­wi­ckeln. „In drei Jah­ren wird unser Ver­hal­ten, wie wir Medi­en kon­su­mie­ren, ein kom­plett ande­res sein“ ist sich Blie­dung sicher. Schon jetzt nimmt soge­nann­ter „1st Per­son Con­tent“ Fahrt auf. Mitt­ler­wei­le pro­du­ziert Volu­cap zu 70 Pro­zent für die Enter­tain­ment­bran­che, die rest­li­chen 30 Pro­zent ent­fal­len auf Indus­trie­kun­den. Und nicht nur für die Kino­be­su­cher ent­ste­hen dabei neue Mög­lich­kei­ten, auch Regis­seu­re bekom­men im Volu­cap ande­re Kame­ra­fahr­ten, Win­kel und Ein­satz­mög­lich­kei­ten für ihre Schau­spie­ler gebo­ten. Mit der aktu­el­len Pro­duk­ti­on sind sie gera­de die ers­ten welt­weit, solch eine Tech­no­lo­gie für das Kino zu verwenden.

Mehr über das Volu­cap und ihre Pro­jek­te gibt es hier.

Von Chris­ti­ne Lentz

 

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