Wie Media­Tech die Teil­ha­be von Men­schen mit Behin­de­rung fördert

Gam­ing kann die sozia­le, gleich­be­rech­tig­te Teil­ha­be von Men­schen mit unter­schied­li­chen Behin­de­run­gen för­dern und bei der Über­win­dung von Kon­takt-Hür­den hel­fen. Aber wie? Dar­um ging es beim Inno­va­ti­on Day “INCLU­SI­VE GAM­ING” am 18. Novem­ber 2019 im Vor­feld der Media­Tech Hub Con­fe­rence in Pots­dam. Gemein­sam mit dem Digi­tal Health Hub Nürn­berg-Erlan­gen, BIRNE7 e.V. und in Koope­ra­ti­on mit dem Medi­cal Val­ley EMN und der HPI School of Design Thin­king (Pots­dam) wur­den mit Hil­fe von Design Thin­king Ideen und Kon­zep­te dafür ent­wi­ckelt, wie Men­schen mit den ver­schie­dens­ten Behin­de­run­gen bes­se­ren Zugang zu Gam­ing erhal­ten. Kei­ne unwe­sent­li­che Arbeit, gilt Gam­ing doch mitt­ler­wei­le als Kul­tur­gut. 15 Pro­zent der Welt­be­völ­ke­rung sind in irgend­ei­ner Form behin­dert. Die UN-Con­ven­ti­on on the Rights of Per­sons with Disa­bi­li­ties (CRPD) spricht sich für die voll­stän­di­ge Inte­gra­ti­on die­ser Men­schen in die Gesell­schaft aus - eine sozia­le Herausforderung.

Ein­ge­la­den waren ins­ge­samt etwa 40 Men­schen mit und ohne Behin­de­rung. Es ent­stan­den vier Teams. Jedem Team wur­den zwei Design Thin­king Coa­ches als Men­to­ren zur Sei­te gestellt. Für die Teams stan­den ins­ge­samt fünf Exper­ten als Ansprechpartner*innen bereit, zwei blin­de und drei im Roll­stuhl, einer davon bis zum Hals quer­schnitts­ge­lähmt. Eini­ge von ihnen waren von weit angereist. 

Mit Hil­fe der Design Thin­king Metho­de ging es für ein Team um die Fra­ge nach Kon­zep­ten dafür, wie Spie­le für den Con­trol­ler Quad­Stick für quer­schnitt­ge­lähm­te Men­schen, der mit dem Mund bedient wird, bes­ser vor­kon­fi­gu­riert wer­den kön­nen, da die “Soft­ware” um Spie­le-Pro­fi­le zu erstel­len (Goog­le Tabel­len), der­zeit nicht intel­li­gent ist und es teil­wei­se sehr zeit­auf­wen­dig ist, den Quad­Stick auf ein neu­es Spiel ein­zu­stel­len. Mit im Team war unter ande­rem Den­nis Win­kens aus Vier­sen bei Mön­chen­glad­bach, lei­den­schaft­li­cher Gamer, der die selbst­er­nann­te inklu­si­ve Gam­ing “Crew” Whee­ly­World gegrün­det hat, selbst mit dem Mund spielt und aus prak­ti­scher Erfah­rung von Hür­den berich­ten konn­te. “Prin­zi­pi­ell geht alles”, berich­te­te er. “Aber umso mehr Ein­ga­ben man braucht und umso schnel­ler das Spiel wird, umso schwie­ri­ger wird es für mich.”

Ein zwei­tes Team such­te nach Lösun­gen, wie Gam­ing Men­schen mit Behin­de­rung und Men­schen ohne Behin­de­rung zusam­men­brin­gen kann. Eine drit­te Grup­pe beschäf­tig­te sich mit der Fra­ge, wie Men­schen im Roll­stuhl und Men­schen mit Seh­be­hin­de­rung bes­ser an Vir­tu­al Rea­li­ty (VR) teil­ha­ben kön­nen, wie also zum Bei­spiel Vibra­ti­on ein­ge­setzt wer­den kann. Das wür­de auch Den­nis Win­kens interessieren. 

In der vier­ten Grup­pe ging es um die spe­zi­el­le Spiel­form Tre­asu­re Hunt (Schatz­su­che) und die Fra­ge, wie sich an dem Online-Spiel Men­schen mit Behin­de­rung bes­ser betei­li­gen kön­nen. Also wie man ent­spre­chend der spe­zi­fi­schen Behin­de­rung ein ange­pass­tes, somit aus­glei­chen­des Modul ent­wi­ckeln und an ein stan­dar­di­sier­tes Inter­face plug­gen kann. “So lässt sich welt­weit mit ver­schie­dens­ten Men­schen ohne und mit diver­ses­ten Ein­schrän­kun­gen das Game star­ten und spie­len.” Und: “Man steu­ert jeman­den durch die Nia­ga­ra­fäl­le. Der Blin­de ach­tet mehr auf Geräu­sche und gibt Hin­wei­se via Sprach­steue­rungs­mo­dul zu “ver­steck­ten Geräu­schen”, jemand anders sieht etwas ‘auf­blit­zen’ und klickt drauf usw. … Ein sol­ches Spiel kann man gemein­sam, glo­bal und mit allen, als “Glei­che unter Glei­chen” spie­len”, schil­dert Bahad­din Bat­maz, IT-Fach­mann aus Mar­burg, der selbst auch erblin­det ist, Infor­ma­tik stu­diert hat, beruf­lich pro­gram­miert, sich um Usa­bi­li­ty von Web-Sei­ten küm­mert, in Punk­to inklu­si­ve Medi­en, Inhal­te und Arbeits­tech­ni­ken berät und schult, also vom Fach ist. In allen vier Grup­pen gab es ein zen­tra­les The­ma: Barrierefreiheit. 

Der Work­shop-Tag war kurz, aber die Betei­lig­ten sind sich einig, dass es ein wich­ti­ger Schritt in die rich­ti­ge Rich­tung war. “In der Kür­ze der Zeit sind gute Ideen ent­stan­den”, betont Den­nis Win­kens. “Dar­auf kann man Pro­gram­mie­rer ansetzen.”

Der Work­shop wur­de von der HPI School of Design Thin­king unter­stützt. Mit deren Metho­den für Design Thin­king wur­den Pro­blem­lö­sun­gen gesucht. “Wir haben uns ger­ne ein­ge­bracht”, betont Ste­fa­nie Schwerdt­fe­ger von der HPI School of Design Thin­king. “Wir ent­wi­ckeln unse­ren Design Thin­king-Ansatz stän­dig wei­ter. Aus dem Work­shop konn­ten wir wich­ti­ge Impul­se mit­neh­men, wie es gelingt, Teil­neh­men­de mit Beein­träch­ti­gun­gen zu inte­grie­ren”, so Ste­fa­nie Schwerdtfeger.

Scha­de fin­det es Bahad­din Bat­maz nur, “dass dies­mal noch kei­ne Gam­ing-Start­ups dabei waren. Es wäre schön gewe­sen, von Start­ups eine gewis­se Ver­net­zung zu erfah­ren. Aber es gab dafür vie­le Inter­es­sier­te, auch aus den Berei­chen Tele­kom­mu­ni­ka­ti­on, Rund­funk, Film und Fern­se­hen. Jeder hat was mit­ge­nom­men!” “Vie­le der Betei­lig­ten hat­ten vor­her noch nie mit inklu­si­vem Gam­ing zu tun”, ergänzt Den­nis Win­kens. Und Jonas Jung vom Medi­cal Val­ley EMN, der auch ehren­amt­lich für BIRNE7 tätig ist, betont: “Es war toll, dass wir mit der Ver­an­stal­tung des Media­Tech Hub Pots­dam dem The­ma wie­der mehr Auf­merk­sam­keit schen­ken konn­ten. Wir wol­len wei­ter dar­auf auf­bau­en. Wir konn­ten unse­re Reich­wei­te erhö­hen, das Bewusst­sein stär­ken. Dazu kommt, dass eini­ge Teil­neh­men­de das ers­te Mal direkt, offen und unvor­ein­ge­nom­men mit Gamern mit Behin­de­rung gespro­chen haben. Alle haben auch mit­ge­nom­men, dass man auch beim Design Thin­king ande­re Vor­ge­hens­wei­sen mit­den­ken muss, wenn man mit Men­schen mit Behin­de­rung arbei­tet, damit sie par­ti­zi­pie­ren können.”

Von Eva Werner

Mehr Blog­ar­ti­kel gibt es hier.

Mehr über den MTH Blog

Die Medientechnologien der Zukunft werden bereits heute angewendet – nicht nur im Entertainmentbereich sondern in den unterschiedlichsten Branchen. Für unseren MediaTech Hub Potsdam Blog spricht Christine Lentz einmal im Monat mit Tech-Enthusiast:innen, Unternehmer:innen und Forscher:innen und erzählt die Geschichten, die hinter ihren innovativen Geschäftsmodellen, Ideen, Projekten oder Kooperationen stecken.