Falsch­alarm ade

Mit­tels KI-gestüt­zer Video­über­wa­chung denkt pro­mi­seQ die Sicher­heits­bran­che neu

Ein Schat­ten, ein Tier, das sich bewegt oder Regen – wer zur Absi­che­rung sei­ner Gebäu­de oder Unter­neh­men auf Video­über­wa­chung setzt, sieht sich oft Falsch­alar­men aus­ge­setzt. Die Flut an Video­da­ten, die die­se Sys­te­me gene­rie­ren, stel­len die Sicher­heits­mit­ar­bei­ten­den vor eine gro­ße Her­aus­for­de­rung. Alar­me wer­den unge­fil­tert an die Not­ruf­leit­stel­len geschickt, dort müs­sen sie dann von Per­so­nen veri­fi­ziert wer­den. Die Quo­te ist hoch: über 98% der aus­ge­lös­ten Alar­me sind harm­los. Aber sie kos­ten Zeit, Geld und Res­sour­cen. Im ungüns­tigs­ten Fall füh­ren sie nicht nur zu unnö­ti­gen Ein­sät­zen – sie kön­nen auch von ech­ten Bedro­hun­gen ablen­ken. Haben die Mit­ar­bei­ten­den bereits 99 mal eine Kat­ze weg­ge­klickt, machen sie es beim 100. Mal auch – nur dass es sich in die­sem Fall um den Ernst­fall handelt.

Das Media­Tech Hub Start­up pro­mi­seQ hat sich zum Ziel gesetzt, die­ses Pro­blem mit Hil­fe von künst­li­cher Intel­li­genz (KI) zu lösen. Die KI-basier­te Platt­form von pro­mi­seQ ana­ly­siert Video­da­ten in Echt­zeit und fil­tert Falsch­alar­me auto­ma­tisch her­aus. So kön­nen sich die Sicher­heits­mit­ar­bei­ten­den auf das Wesent­li­che kon­zen­trie­ren und ech­te Bedro­hun­gen schnel­ler erken­nen und reagieren.

Die KI-Platt­form von pro­mi­seQ basiert auf einem Deep-Lear­ning-Algo­rith­mus, der mit Mil­lio­nen von Video­da­ten trai­niert wur­de. Der Algo­rith­mus ist in der Lage, ver­schie­de­ne Mus­ter und Objek­te in Vide­os zu erken­nen und so zwi­schen ech­ten Alar­men und Falsch­alar­men zu unter­schei­den. Ech­te Alar­me wer­den wei­ter­ge­lei­tet, die ande­ren her­aus­ge­fil­tert. Aber nicht nur das. Grün­der Tol­ga Ermis erklärt: „Wir haben um den KI-Fil­ter her­um eine ganz­heit­li­che Platt­form ent­wi­ckelt, eine Video-Intel­li­genz-Platt­form. Dar­über kann man sich live auf Kame­ras zuschal­ten, Kun­den- und Objekt­ma­nage­ment machen, tote Win­kel oder unschar­fe Ein­stel­lun­gen iden­ti­fi­zie­ren und ver­än­dern. Soll­te jemand die Kame­ra ver­dre­hen, bema­len oder ver­kle­ben, lässt sich das außer­dem anhand von hin­ter­leg­ten Refe­renz­bil­dern schnell feststellen.“

Kame­ra­sys­te­me wer­den mit exter­ner KI-Hard­ware trainiert

Gemein­sam mit sei­nem Part­ner Eli­as Kar­del haben bei­de bereits bei Auto­mo­bil­her­stel­lern an Pro­jek­ten zum auto­no­men Fah­ren gear­bei­tet und sich dabei mit The­men wie Crowd­sour­cing für das Trai­ning von KI oder kame­ra­ba­sier­ter Spur­hal­tung für fah­ren­de Autos beschäf­tigt. Mit der Idee, KI und Crowd­sour­cing - also die Betei­li­gung von Men­schen - zu kom­bi­nie­ren, star­te­ten sie gemein­sam pro­mi­seQ. Mitt­ler­wei­le besteht das Team aus über 30 Mit­ar­bei­ten­den, die die Idee ste­tig wei­ter­ent­wi­ckeln. Der Human-Review-Fak­tor, also der Gegen­check zwi­schen KI und Crowd­sour­cing, steht mitt­ler­wei­le nicht mehr im Fokus, wird aber als Pre­mi­um­mo­dell für den KI-Falsch­alarm­fil­ter mitangeboten.

Gera­de haben sie mit dem pro­mi­se­Qu­be ein neu­es Pro­dukt gelauncht. Der pro­mi­se­Qu­be bringt Echt­zeit-Hard­ware in einer Box und ermög­licht es, die Sicher­heits­sys­te­me um umfang­rei­che KI-Fea­tures vor Ort zu ergän­zen. „Wir kön­nen jede belie­bi­ge ‚dum­me Kame­ra‘ mit der Box ultrasmart machen“, so Tol­ga Ermis. Der Qube erkennt die ver­schie­de­nen Objekt­klas­sen - momen­tan bei­spiels­wei­se Per­so­nen und sich bewe­gen­de Fahr­zeu­ge. Mit dem Zero-Shot-Modell, das im Machi­ne-Lear­ning genutzt wird, wird intern getes­tet, wie zukünf­tig eine Viel­falt von Objekt­klas­sen bestimmt wer­den kann. Je nach Vor­ga­be etwa “wei­ße Snea­k­er”, “Men­schen mit Mas­ke”, “Men­schen mit blau­en Pull­overn”, “Men­schen mit Hel­men” – oder auch ein­deu­tig kri­ti­sche Objek­te wie Feu­er oder Mes­ser an Personen.

Die leis­tungs­star­ke Hard­ware ermög­licht Sicher­heits­un­ter­he­men so eine noch nie dage­we­se­ne Fle­xi­bi­li­tät. Bis­her war man dort auf Kame­ra­her­stel­ler ange­wie­sen, die die Alarm­de­fi­ni­ti­on vor­ga­ben. Woll­te man dar­über Objekt­klas­sen wie Feu­er oder Fahr­zeu­ge mit bestimm­ten Kenn­zei­chen her­aus­fil­tern, war man auf die Ange­bo­te der Her­stel­ler und deren Trai­ning der Kame­ras über tra­di­tio­nel­le neu­ro­na­le Netz­wer­ke ange­wie­sen. Tol­ga Ermis macht deut­lich: „Sol­che tra­di­tio­nel­len neu­ro­na­len Netz­wer­ke sind wie Klein­kin­der, denen man alles tau­send Mal zei­gen muss. Bei­spiels­wei­se: Hier ist ein Bild von einem Mes­ser, hier eines von einem Mes­ser in der Dun­kel­heit, hier eines von einer Gabel, hier ein Mes­ser aus dem Sei­ten­win­kel. Es braucht umfang­rei­che Daten­men­gen, damit die Kame­ra auf die ent­spre­chen­de Situa­ti­on reagie­ren kann.“

Ein Game-Chan­ger, nicht nur für die Sicherheitsindustrie

Aktu­ell wird das Zero-Shot-Modell auf den pro­mi­se­Qu­be geup­datet – vor­trai­niert mit dem frei ver­füg­ba­ren Wis­sen des gesam­ten Inter­nets. Statt mit einem Klein­kind sei er mit einem Uni­ver­si­täts­ab­sol­ven­ten zu ver­glei­chen, so der Tol­ga Ermis. Der Qube kann Kame­ras mit dem Kon­text belie­fern und weiß, wie die gesuch­ten Objek­te in hun­der­ten Vari­an­ten aus­se­hen. Die Vor­ga­ben an ihn wer­den mit natür­li­cher Spra­che vor­ge­ge­ben: „Bit­te erken­ne Per­so­nen in blau­en Pullovern.“ 

Das Team von pro­mi­seQ arbei­tet auch dar­an, dass dar­über zukünf­tig Türen, Laut­spre­cher, Schlös­ser oder Nebel­ma­schi­nen ange­steu­ert und aus­ge­löst wer­den kön­nen. „Den pro­mi­se­Qu­be könn­te man wie Ale­xa von Ama­zon beschrei­ben, aber mit Zäh­nen und Kral­len“, so Ermis. 

Sol­che fle­xi­blen Kame­ra-Vor­ga­ben, die dank des Zero-Shot-Maschi­nen­ler­nens mög­lich sind, möch­te pro­mi­seQ per­spek­ti­visch auch ande­ren Bran­chen zur Ver­fü­gung stel­len. Der Ein­zel­han­dels­be­reich wäre ein logi­scher Part­ner. In wel­chen Gän­gen sind die meis­ten Per­so­nen unter­wegs? Wie ist deren Demo­gra­fie? Via KI-gestütz­ter Video­über­wa­chung lie­ße sich das schnell ana­ly­sie­ren und etwa Lager­be­stän­de auto­ma­tisch durch­ge­hen. Momen­tan kon­zen­triert sich das Start­up aber dar­auf, die Sicher­heits­bran­che zu revo­lu­tio­nie­ren. Die Nach­fra­ge nach den ers­ten pro­mi­se­Qubes ist so groß, dass nun eine War­te­lis­te für den nächs­ten Pro­duk­ti­ons­run, der im Früh­som­mer geplant ist, besteht.

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