Zwi­schen Krea­ti­vi­tät und Tech­nik, Daten­schutz und Mone­ta­ri­sie­rung – Die Media­Tech Hub Con­fe­rence 2023

Wie trans­for­miert Künst­li­che Intel­li­genz die Branche?

„Es ist eine inter­es­san­te Zeit: Die Ein­stiegs­hür­de ist nied­ri­ger, aber die Erwar­tun­gen des Publi­kums sind höher. Es wird wei­ter­hin mas­siv Con­tent ver­öf­fent­licht, aber es bleibt am Publi­kum, zu ent­schei­den, was es sehen will“, so Lau­ra Jen­ner vom größ­ten bri­ti­schen Broad­cas­ter ITV im brand eins Ope­ning Talk der #MTHCON2023. Zusam­men mit Mark Har­ri­son von DPP lei­te­te sie unter der Mode­ra­ti­on von Hol­ger Voll­and von Brand Eins das ers­te Panel des Tages zur Trans­for­ma­ti­on der Bran­che ein.

Als Deutsch­lands füh­ren­de Kon­fe­renz für Medi­en­tech­no­lo­gien lock­te die #MTHCON23 in der letz­ten Sep­tem­ber­wo­che über 500 natio­na­le und inter­na­tio­na­le Fachbesucher:innen an. Wäh­rend auf dem Stu­dio­ge­län­de noch spät­som­mer­li­che Tem­pe­ra­tu­ren herrsch­ten, ver­schwand das Publi­kum in den Kino­sä­len von Rotor Film und fx​.Cen​ter. Ein ins­ge­samt 25-stün­di­ges Pro­gramm an der Schnitt­stel­le von Tech­no­lo­gie und Krea­ti­vi­tät war­te­te. „Die Mega­trends des Jah­res 2023 für unse­re Indus­trie sind ganz klar: KI, Daten und der Zugang zu Daten. Vor allem müs­sen wir die Zuschau­er in den Mit­tel­punkt stel­len und uns neue zusätz­li­che Model­le zur Mone­ta­ri­sie­rung immer teu­rer wer­den­der Inhal­te über­le­gen”, so Peter Effen­berg, Lei­ter der Media­Tech Hub Con­fe­rence.

So dreh­te sich die MTH­CON an den fol­gen­den zwei Tagen um Fra­gen wie: Wie nut­zen Ziel­grup­pen die ver­schie­de­nen Tech­no­lo­gien und wie ist es um den Wett­be­werb zwi­schen Strea­ming-Platt­for­men und Broad­cas­ter bestellt? Wird die Arbeit der Krea­ti­ven – von Drehbuchschreiber:innenn über Setdesigner:innen, Schauspieler:innen, Regisseur:innen bis hin zu Filmscores in Zukunft von künst­li­cher Intel­li­genz abge­löst? Wie fin­den Inhal­te zukünf­tig ihr Publi­kum? Wie las­sen sich Inhal­te monetarisieren?

Poten­zi­al für die krea­ti­ve Arbeit der Zukunft

Einer, dem das Fil­me­ma­chen mit in die Wie­ge gelegt wur­de, kam via einer Live-Schal­te aus Los Ange­les zu Wort: „Ich lie­be Tech­no­lo­gie – Fil­me­ma­chen ist eine tech­no­lo­gi­sche Kunst­form“, so Roman Cop­po­la. Als Regis­seur, Autor und Pro­du­zent führt er die Indie-Pro­duk­ti­on Ame­ri­can Zeo­tro­pe und hat die Block­chain-basier­te Film Com­mu­ni­ty Decen­tra­li­zed Pic­tures gegrün­det. Durch sei­ne regel­mä­ßi­ge Zusam­men­ar­beit mit Wes Ander­son, unter ande­rem auch an „The Grand Buda­pest Hotel“, ist ihm Babels­berg mehr als ver­traut. Im Gespräch mit Host Kate Bul­kley schwärm­te Cop­po­la vom krea­ti­ven Anteil sei­ner Arbeit, kam dann aber auch auf die tech­ni­schen Dimen­sio­nen zu spre­chen. Er sehe die KI in einem posi­ti­ven Licht, spie­le gern mit ihr und betrach­te sie sogar als For­schungs­as­sis­tent, so der Filmemacher.

Wie KI die Bran­che umkrem­peln wird, das erör­ter­ten auch Evan Halleck, der als VFX-Artist bei dem Oscar gekrön­ten Film „Ever­y­thing Ever­y­weh­re All at Once“ mit­ar­bei­te­te, sowie Rick Gran­dy, Anbie­ter des füh­ren­den KI-Com­pu­ting NVDIA. Bei­de sehen das Ziel dar­in, mit KI-Tools die künst­le­ri­sche Arbeit zu ver­ein­fa­chen, aber nicht zu erset­zen. „Es ist nicht rea­lis­tisch, dass eine KI den kom­plet­ten Film­schnitt über­nimmt. Ein pro­fes­sio­nel­ler Cut­ter wird immer bes­ser wis­sen, wel­cher Schnitt für die Sto­ry am bes­ten passt“, so Halleck. Und auch Roman Cop­po­la setzt wei­ter­hin auf den Fak­tor Mensch: „Ich glau­be nicht, dass es einer Maschi­ne wirk­lich mög­lich ist, mensch­li­che Erfah­run­gen und Erkennt­nis­se in einer ori­gi­nel­len Geschich­te zu erzählen.“

Wer KI und wei­te­re trans­for­mie­ren­de Tech­ni­ken wäh­rend der Kon­fe­renz­ta­ge selbst tes­ten woll­te, konn­te dies in ver­schie­de­nen Work­shop-Ses­si­ons am zwei­ten Kon­fe­renz­tag tun. Mit Lap­top und Tablet aus­ge­rüs­tet, saß das Publi­kum bei Jac­ques Alo­mo, creamlabs AI, um mit dem cre­a­m­AI tool in AI gene­rier­te Bil­der und Tex­te ein­zu­tau­chen. Sven Blie­dung von der Hei­de, Volu­cap, zeig­te den Teil­neh­men­den, wie digi­tal ein­ge­scann­te Schauspieler:innen schon heu­te in Vide­os inte­griert werden.

Einen Ein­blick in das Poten­ti­al von Inter­net of Things für Con­tent und Krea­ti­ve gab der Media­Tech Hub Inno­va­tor in Koope­ra­ti­on mit dem Smart Sys­tem Hub. „What does the Future Think?“ lau­te­te die titel­ge­ben­de Fra­ge­stel­lung des Work­shops. Mad­len Mol­lin­ger, Mari­na Chkol­ni­kov und Olym­pia Tsa­ki­ri­dou nutz­ten Future Thin­king und Agi­le Metho­den, um gemein­sam mit den Teil­neh­men­den neue Ideen für die Wei­ter­ent­wick­lung der Medi­en­bran­che zu fin­den. Alles über sicher­heits­ba­sier­te Geschäfts­mo­del­le und wie Cyber­si­cher­heit Umsät­ze stei­gern kann, ver­mit­tel­te der Work­shop „Mone­ti­ze your Assets with Cyber­se­cu­ri­ty“ über Medi­en-Busi­ness­mo­del­le mit Cyber­si­cher­heit, gelei­tet von Wal­de­mar Bercht­hold, Fraun­ho­fer Insti­tut, und prä­sen­tiert durch den MTH Inno­va­tor zusam­men mit ATHE­NE - Digi­tal Hub Cyber­se­cu­ri­ty.

Der inno­va­ti­ve Norden

Eine beson­de­re inter­na­tio­na­le Per­spek­ti­ve brach­te eine Dele­ga­ti­on aus Nor­we­gen in das Kon­fe­renz­pro­gramm ein. Mit Nor­we­gen war erst­mals ein Gast­land bei der MTH­CON ver­tre­ten. Der heim­li­che Tech-Star aus dem Nor­den – so die Pro­gramm­an­kün­di­gung – gilt mit sei­ner Film- und Fern­seh­in­dus­trie als einer der inno­va­tivs­ten und agils­ten weltweit.

Aus der Media City Ber­gen prä­sen­tier­ten sich vier Start­ups, die alle an den Schnitt­stel­len von Con­tent, IT und Jour­na­lis­mus arbei­ten. Dar­un­ter der Hard­ware-Her­stel­ler Muy­bridge mit der Ver­kün­di­gung einer Welt­neu­heit: ein neu ent­wor­fe­nes Kame­ra­sys­tem hebt durch sei­ne Anord­nung von Kame­ra­lin­sen auf einem linea­ren Band die räum­li­chen Beschrän­kun­gen beim Fil­men auf. Mit dem State­ment „Wir ver­las­sen uns nicht auf den Ver­trieb durch Drit­te – das ist die ein­zi­ge Mög­lich­keit, unse­re Unab­hän­gig­keit zu bewah­ren“, gab Inge Thorud vom Sen­der NRK, den Zuhö­ren­den einen Ein­blick dar­über, wie der öffent­lich-recht­li­che Sen­der zum Weg­wei­ser in Sachen Strea­ming-Platt­for­men wer­den konnte.

Eine Zukunft für den Journalismus

Nicht nur die Film­in­dus­trie sieht sich einem noch stär­ke­ren Wan­del als in den ver­gan­ge­nen Jah­ren gegen­über: Auch der Jour­na­lis­mus wer­de sich in den nächs­ten 10 Jah­ren tief­grei­fen­der ver­än­dern als in den letz­ten 100 Jah­ren, ist sich Richard Gut­jahr sicher, der als Digi­tal­pio­nier und Jour­na­list das Panel „Hat der Jour­na­lis­mus eine Zukunft?“ mit Tech­nik­jour­na­lis­tin Eva Wolfs­an­gel besetz­te – prä­sen­tiert vom Medi­en­in­no­va­ti­ons­zen­trum Babels­berg (MIZ).

Der Jour­na­lis­mus kämpft aktu­ell mit Des­in­for­ma­ti­on, Bedeu­tungs­ver­lust und einem Ver­trau­ens­pro­blem, aber durch KI ent­ste­hen durch­aus Chan­cen. Klei­ne Redak­tio­nen kön­nen zukünf­tig etwa gro­ße Men­gen an Con­tent effi­zi­en­ter ver­ar­bei­ten, so Sascha Devi­ne, Stu­dio 47, in einer Expert:innenrunde. Es wer­de außer­dem weg­wei­send, Pro­duk­te für die brei­te Mas­se zu indi­vi­dua­li­sie­ren und Nach­rich­ten gezielt an die Per­son und den Kon­text, in dem sie sie kon­su­miert, anzu­pas­sen, pro­gnos­ti­ziert Richard Gut­jahr. „Die ein­zi­ge Chan­ce, gegen Big-Data-Unter­neh­men zu bestehen, liegt dar­in, ein Publi­kum auf­zu­bau­en, das uns ver­traut“, fass­te Eva Wolfs­an­gel ange­sichts von Fake News und Des­in­for­ma­ti­on zusammen.

Der Strea­ming-Markt und die Mone­ta­ri­sie­rung der Inhalte

Auf der einen Sei­te die Strea­ming-Plat­for­men wie Net­flix, Dis­ney+, Ama­zon oder Apple TV, auf der ande­ren Sei­te die gro­ßen TV-Sen­der und dazwi­schen Pro­duk­ti­ons­fir­men: Sie alle suchen momen­tan neue Wege der Mone­ta­ri­sie­rung– abseits der übli­chen Abo-Model­le oder Wer­bung. In Ses­si­ons wie „Deco­ding Audi­ence Beha­vi­or“ oder „Aggre­ga­te, Recom­mend, Per­so­na­li­ze” dis­ku­tie­ren die Spea­k­er von Para­mount, Sam­sung TV Plus oder Sky dar­über, wie sich Vor­lie­ben und Ver­hal­tens­wei­sen der Zuschau­en­den vor­her­sa­gen las­sen, Inhal­te ziel­grup­pen­ge­nau pro­du­ziert wer­den kön­nen und wel­che Ein­nah­me-Stra­te­gien jetzt sinn­voll erscheinen.

Hans Hoff­mann von der Euro­pen Broad­cas­ting Uni­on (EBU) beton­te den Ein­satz von Meta­da­ten: „Es dreht sich alles um Meta­da­ten. Aber nur 53 Pro­zent der Broad­cas­ter haben eine Stra­te­gie dafür.“ Sabi­ne Anger von Para­mount berich­te­te wie­der­um: „Man wür­de anneh­men, wir haben das alles auto­ma­ti­siert, aber dem ist nicht so. Wir haben mensch­li­che Pro­gram­mier­teams, die Emp­feh­lun­gen so kura­tie­ren als kämen sie von den bes­ten Freund:innen.“ Auch zum Geschäfts­mo­dell zwi­schen exklu­si­ven Inhal­ten und Lizenz­ge­schäf­ten bekräf­tigt sie, es sei nicht alles schwarz oder weiß, son­dern ein Mix aus For­ma­ten nötig. Für Wer­be­mo­del­le gehe es immer dar­um, das attrak­tivs­te Umfeld zu bie­ten und attrak­tiv sei letzt­end­lich guter Content.

Neue Ein­nah­me­quel­len stell­te auch Irmela Wro­ge­mann von jay vor. Mit der auto­ma­ti­sier­ten Tech-Lösung für Meta­da­ten im Film kön­nen Zuschau­en­de Infor­ma­tio­nen über Cast, Dreh­or­te oder Kos­tü­me erhal­ten und sogar „in-stream“ shoppen.

Live-Kon­zert, Füh­rung über das Stu­dio Gelän­de und der­Glo­bal Media­Tech Pitch Day

„KI? Wir brau­chen auch immer den mensch­li­chen Fak­tor“ – fasst Sten-Kris­ti­an Salu­ve­er, Media­Tech Visio­när und Head of Can­nes NEXT, die Aus­sa­gen der MTH­CON zusam­men. Wäh­rend er auf der Expert Stage von Rotor Film mit Host Kate Bul­kley die zwei Kon­fe­renz­ta­ge resü­mier­te, pitch­ten par­al­lel 10 Start­ups zum ers­ten Glo­bal Media­Tech Pitch Day um eine Sie­ger­prä­mie von 10.000 Euro und die Chan­ce, bis zu eine Mil­li­on Invest­ment ein­zu­sam­meln. Neben den Prä­sen­ta­to­ren des Glo­bal Media­Tech Pitch Days, RAW Ven­tures, bestand die Expert:innen-Jury aus dem deut­schen For­schungs­zen­trum für künst­li­che Intel­li­genz, NVI­DIA, Coin­Te­le­graph Acce­le­ra­tor und einer KI-unter­stütz­ten Jury­stim­me. Sie­ger des Abends: Das Media­Tech Start­up Set­mi­xer, das mit dem Jury Award aus­ge­zeich­net wur­de. Über­zeugt hat­te ihr Tool zur auto­ma­ti­schen Auf­zeich­nung von Live-Auf­trit­ten, dass die Ergeb­nis­se mit­hil­fe von KI-Fil­tern opti­miert. Der Publi­kums-Award ging an Winkt, ein loka­les sozia­les Netz­werk, das Tou­ris­ten, Ein­hei­mi­sche und Unter­neh­men mit­ein­an­der ver­bin­det. Der KI-Award - aus­ge­wählt von einer Künst­li­chen Intel­li­genz - ging an Mae­ker­suite. Sie bie­ten eine KI-gestütz­te Platt­form, die anhand von Trends die Erstel­lung von Video-Dreh­bü­chern erleichtert.

Den Besucher:innen bot sich neben den gehalt­vol­len Ses­si­ons an bei­den Tagen ein Rah­men­pro­gramm, dar­un­ter Net­wor­king bei einem Spea­k­er-Früh­stück und eine Füh­rung von Art Depart­ment-Lei­ter Micha­el Düwel über das Stu­dio Gelän­de und die Werk­stät­ten von Stu­dio Babels­berg. Dort wird – mit Aus­nah­me von 3D-Dru­ckern – ganz im Gegen­satz zu den beherr­schen­den Digi­tal­the­men der Kon­fe­renz auf­wen­di­ge Kulis­sen in Hand­ar­beit gefer­tigt. Am Abend des ers­ten Tages war­te­te außer­dem mit dem exklu­si­ven Kon­zert des Film­or­ches­ter Babels­berg und unter der Mode­ra­ti­on von rbb-Mann Knut Els­ter­mann ein kul­tu­rel­le­res High­light auf die 500 Teilnehmenden.

Für die Media­Tech Hub Con­fe­rence 2024 ste­hen bereits schon die Daten fest: am 25. und 26. Sep­tem­ber 2024 war­tet am Stand­ort Babels­berg wie­der ein sorg­fäl­tig kura­tier­tes Pro­gramm rund um Zukunfts­the­men, Medi­en, Krea­ti­vi­tät und Tech­no­lo­gien auf die Besucher:innen.

Image Cre­dit: Lars Hübner

Mehr über den MTH Blog

Die Medientechnologien der Zukunft werden bereits heute angewendet – nicht nur im Entertainmentbereich sondern in den unterschiedlichsten Branchen. Für unseren MediaTech Hub Potsdam Blog spricht Christine Lentz einmal im Monat mit Tech-Enthusiast:innen, Unternehmer:innen und Forscher:innen und erzählt die Geschichten, die hinter ihren innovativen Geschäftsmodellen, Ideen, Projekten oder Kooperationen stecken.