Smart Coun­try, ein Platt­form­grund­ge­setz und Daten aus dem All: Media­Tech Hub Pots­dam auf der re:publica 2022

“Any­whe­re the wind blows…”

… singt Fred­dy Mer­cu­ry zum Fina­le von Bohe­mi­an Rhap­so­dy – und mit die­ser Lied­zei­le als Mot­to mel­de­te sich die Digi­tal­kon­fe­renz re:publica nach zwei­jäh­ri­ger Pan­de­mie­pau­se vor Ort zurück. Auf 25.000 Besu­chen­de, 400 Ses­si­ons und 700 Sprecher:innen brach­te es die vier­tä­gi­ge Ver­an­stal­tung Anfang Juni. Wäh­rend der leich­te Som­mer­wind also über das Außen­ge­län­de von der Are­na Ber­lin weh­te, fan­den in der abge­dun­kel­ten Hal­le die Dis­kus­sio­nen statt, die sich ganz im Sin­ne der Aus­rich­tung der re:publica nicht nur um die rei­ne Digi­­tal- und Medi­en­tech­nik dreh­ten, son­dern den Bogen zu gesell­schafts­po­li­ti­schen The­men rund um Nach­hal­tig­keit, Kli­ma­wan­del und sozia­lem Wan­del spann­ten. Dar­un­ter vie­le Vertreter:innen des Media­Tech Hub Pots­dam:Unter dem Titel „Gesell­schaft in der Dau­er­kri­se“ gab Kli­ma­öko­nom Ott­mar Eden­ho­fer vom Pots­da­mer Insti­tut für Kli­ma­for­schung den Spar­rings­part­ner von Publi­zis­tin Caro­lin Emcke, um neben den Fak­ten nun die Hand­lungs­mög­lich­kei­ten zwi­schen Krieg, Kli­ma­kri­se und Her­aus­for­de­run­gen unse­rer Zeit zu zei­gen. Ste­fan Schel­ler, einer der füh­ren­den HR-Influen­­cer, Blog­ger und Pod­­cast-Host zu New Work, New Manage­ment und Recrui­ting teil­te sei­ne Erfah­run­gen zu Vor- und Nach­tei­len von Home Office und Remo­te Work.

Die neu­en Arbeits­mög­lich­kei­ten kön­nen auch das Leben auf dem Land für digi­ta­le Talen­te wie­der attrak­ti­ver machen und für neue Wirt­schafts­kraft außer­halb der städ­ti­schen Bal­lungs­ge­bie­te sor­gen. Einen Ansatz, den die Wirt­schafts­för­de­rung Bran­den­burg (WFBB) unter­stützt. Ver­tre­ten durch Till Mey­er und Stef­fen Kamm­radt erläu­ter­ten sie, wie sich das Land Bran­den­burg rund um alte Guts­häu­ser, Bahn­hö­fe und Fabrik­ge­län­de zu einem Smart Coun­try wan­delt. Medi­en­spe­zi­fi­scher wur­de es bei Mar­cus Pfeil und Micha­el Antho­ny von Ver­ti­cal 52 . Mit ihrem Start­up brin­gen sie Daten aus dem All in kur­zen Geschich­ten zurück auf die Erde: Wo sind in Deutsch­land ein­sturz­ge­fähr­de­te Brü­cken zu ent­de­cken? In wel­chen Minen in Indi­en wird ille­gal abge­baut? Wie­viel Flä­che brennt gera­de im Ama­zo­nas? Ihre Platt­form zur Aus­wer­tung von Satel­­li­­ten- und Radar­da­ten unter­stützt NGOs und Journalist:innen in ihrer Arbeit.

Anna Fran­zis­ka Michel vom Media­Tech Hub Acce­le­ra­tor Start­up yoo​na​.ai sprach in dem Vor­trag „The Meta­ver­se SaaS Solu­ti­on“ über die Vor­rei­ter­rol­le, die die digi­ta­le Fashion­in­dus­trie im Bereich nach­hal­ti­gen Lebens­stils inne­ha­ben kann. Als CEO von yoo​na​.ai treibt sie die KI-basier­­te Design­ent­wick­lung vor­an. Lau­ra Hir­vi, Geschäfts­füh­re­rin der Vir­tu­al Rea­li­ty Asso­cia­ti­on Ber­lin Bran­den­burg (VRBB) trat als Host für das „Women in XR and Allies Panel“ auf, das die füh­ren­den Frau­en aus der XR Bran­che unter­ein­an­der zusam­men­brach­te und Trends und Ent­wick­lun­gen dis­ku­tier­te. Wie wich­tig die Aspek­te eines ein­heit­li­chen euro­päi­schen Regel­werks für gro­ße digi­ta­le Platt­for­men sein kön­nen, beleuch­te­te Dr. Eva Fle­cken, Direk­to­rin der Medi­en­an­stalt Ber­­lin-Bran­­den­­burg (mabb) als Gesprächs­part­ne­rin des Panels „Digi­tal Art Ser­vices – Kommt jetzt das Plattformgrundgesetz?“.

Wie ver­än­dert Vir­tu­al Pro­duc­tion den Medi­en­stand­ort Berlin/​​Brandenburg?

Eine wich­ti­ge fach­li­che Dis­kus­si­on im Pro­gramm­schwer­punkt Medi­en, das von Medi­en­board Ber­­lin-Bran­­den­­burg geför­dert und mabb unter­stützt wur­de, beleuch­te­te mit Fra­gen wie „Wo dre­hen wir in 10 Jah­ren?“, „Was macht das mit dem Stand­ort Pots­­dam-Babels­­berg?“ und „Wird zukünf­tig nur noch vir­tu­ell gedreht?“ die Umwäl­zun­gen, die neue Tech­nik in der Film­bran­che mit sich bringt.

Vir­tu­al Pro­duc­tion ist zu einem zen­tra­len The­ma für die Film­schaf­fen­den gewor­den. Kine­ma­to­gra­fi­sche LED-Bil­d­­schir­m­­wän­­de, wie die Pots­da­mer Halos­ta­ge auch neben der Stage 1 zeigt, wer­den bald nicht mehr aus der Kino­welt weg­zu­den­ken sein. Schon wäh­rend der Pro­duk­ti­on ver­schmel­zen ana­lo­ge und digi­ta­le Welt, was nicht nur die Abläu­fe ver­än­dert, son­dern auch die Art, wie wir Geschich­ten erzäh­len kön­nen. Schau­spie­len­de inter­agie­ren eben­so wie Kame­ra oder Beleuch­tung nun direkt vor digi­ta­len Kulis­sen statt mono­far­bi­gem Green­screen. Bei einem Gespräch mit dem Titel „Die Zukunft des Films – Wie ver­än­dert Vir­tu­al Pro­duc­tion den Medi­en­stand­ort Berlin/​​Brandenburg?“ brach­ten Krea­tiv­wirt­schafts­be­ra­te­rin Fran­zis­ka Koch, Erik Wolff, (CEO der Halos­ta­ge), Wolf Bos­se (Co Foun­der der Reac­tion­link SE Tech­no­lo­gies GmbH) und VFK Pro­du­ce­rin Sche­rin Raja­ku­ma­ran ihre unter­schied­li­chen Erfah­run­gen ein.

„In der Post­pro­duk­ti­on ändert sich immer alles.“

Dabei sei die Tech­no­lo­gie kei­ne Neue, so Sche­rin Raja­ku­ma­ran. Von bemal­ten Lein­wän­den bis hin zu Green Screen habe das Kino es immer wie­der geschafft, im Stu­dio gan­ze Wel­ten zu erschaf­fen, ohne dafür mit dem Team an einen bestimm­ten Dreh­ort rei­sen zu müs­sen. Neu sei, dass sich die bis­her bekann­ten Pro­duk­ti­ons­ab­läu­fe ändern. Das schlägt sich auf Bud­gets und auch Arbeits­pro­zes­se nie­der. Pro­duk­ti­ons­be­ding­te Ver­zö­ge­run­gen, wie sie zum Bei­spiel bei Ren­de­ring ent­ste­hen, ent­fal­len. Typi­scher­wei­se nach­ge­la­ger­te Pro­zes­se wer­den im Pro­duk­ti­ons­zeit­raum nach vor­ne ver­la­gert, das bestä­tigt auch Wolf Bos­se. Ins­ge­samt ände­re sich dadurch die Dyna­mik des Fil­me­ma­chens bis hin zu Dreh­buch­fas­sun­gen. Autor:innen könn­ten in ihrer Erzäh­lung die neu­en tech­ni­schen Mög­lich­kei­ten ein­pla­nen. Hand­lun­gen las­sen sich nun bes­ser wäh­rend des Drehs umschrei­ben, da Pro­duk­ti­ons­or­te nicht auf­wen­dig ver­setzt wer­den müssen.
Was erhal­ten blei­be, sei­en unter­hal­ten­de Geschich­ten, ergänzt Wolff. Die wei­te­re Dis­kus­si­on sei eine fach­li­che. Kommt an einer Stel­le ein VFX-Shot in Fra­ge oder ist 3D Con­tent bes­ser geeig­net? Sol­che Gesprä­che müs­sen früh geführt wer­den und die Dis­kus­sio­nen dre­hen sich immer um Pro­duk­ti­ons­kos­ten und Kreativaspekt.

Mehr Pixel, mehr Frames, grö­ße­re Bit­ra­ten in der Postproduktion

In zehn Jah­ren wer­de sich also nicht die grund­le­gen­de Art des Fil­me­ma­chens ver­än­dert haben, aber es kom­men neue tech­ni­sche Mög­lich­kei­ten hin­zu. Auf­wen­di­ge Tech­no­lo­gien, die vor­her zu lang­sam waren, wer­den nun ein­fa­cher ein­zu­set­zen sein. Es schlei­che sich mehr künst­li­che Intel­li­genz in die Pro­zes­se ein, so Bos­se. Hin­zu kom­me eine bes­se­re Dar­stel­lungs­qua­li­tät, was sich auch in foto­rea­lis­ti­scher Dar­stel­lung von Mimik und Ges­tik der Schau­spie­len­den nie­der­schlägt. Die­se wer­den in Zukunft nicht erset­zet, aber die Kom­par­se­rie kann ein­fa­cher digi­tal ergänzt wer­den. Die Misch­for­men aus rea­ler Auf­nah­me ergänzt durch digi­ta­le Hilfs­mit­tel neh­me zu, so die Hypothese.

Event­tech­no­lo­gie, Games Indus­trie und Film­bran­che pro­fi­tie­ren voneinander

An Ent­wick­lun­gen ist nicht nur die Film­in­dus­trie betei­ligt. Eine groß­flä­chi­ge LED-Lein­­wand wie die Halos­ta­ge mit hoch­pro­fes­sio­nel­len LEDs auf ins­ge­samt 1000 Qua­drat­me­tern Flä­che wur­de ursprüng­lich für Event­tech­no­lo­gie und Mes­sen ent­wi­ckelt. Hin­zu kom­men Ent­wick­lun­gen aus der Gam­ing Indus­trie, die mit Track­ing Bril­len über Game Engi­ne das Bild umset­zen kön­ne. Das Expe­ri­men­tier­feld, auf dem ver­schie­de­ne Medi­en­tech­ni­ken zusam­men­tref­fen, wer­de wei­ter­wach­sen, so Bos­se. Hier sei die Film­in­dus­trie nicht der ein­zi­ge Motor.

Neben der Zeit­er­spar­nis fal­len in Zukunft auch gerin­ge­re Kos­ten an. So redu­zie­ren sich zum Bei­spiel auf­wen­di­ge Stra­ßen­sper­run­gen für Drehs und die dazu­ge­hö­ri­gen Dreh­ge­neh­mi­gun­gen. Als Bei­spiel nennt Wolff einen Dreh im Ber­li­ner Tier­gar­ten­tun­nel. Hier wur­de der Tun­nel vor­ab gut aus­ge­leuch­tet abge­filmt, und für die rest­li­chen Sze­nen dann im Stu­dio ein­ge­blen­det. Auch klas­si­sche „Carshots“, wie man sie häu­fig im Tat­ort sieht, sind dadurch weni­ger auf­wen­dig. Das macht die Drehs siche­rer, teils effi­zi­en­ter, Umge­bun­gen wie unge­woll­te Reflek­tio­nen auf Autos oder Wet­ter­un­si­cher­hei­ten las­sen sich bes­ser kontrollieren.

Sie alle sei­en kei­ne Gegner:innen des Real­drehs, so Bos­se. „Wir ergän­zen die Schön­heit des Real­drehs um eine tech­ni­sche Sicher­heit“. Das alles müs­se aller­dings im Vor­feld gut geplant wer­den. Nicht nur auf die direk­te Pro­duk­ti­on hat Vir­tu­al Pro­duc­tion einen Ein­fluss, auch die beruf­li­chen Ein­satz­be­rei­che der Bran­che und die Aus­bil­dungs­be­ru­fe ändern sich. Zukünf­tig wird es zum Bei­spiel mehr Gestalter:innen von immersi­vem Con­tent geben.

Die mobi­le Ver­si­on des LED-Stu­­di­os Halos­ta­ge prä­sen­tier­ten die Pots­da­mer die gan­ze re:publica hin­weg direkt neben der Haupt­büh­ne. Besu­chen­de konn­ten sich hier selbst vor digi­ta­ler Kulis­se pro­be­wei­se insze­nie­ren lassen.

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Die Medientechnologien der Zukunft werden bereits heute angewendet – nicht nur im Entertainmentbereich sondern in den unterschiedlichsten Branchen. Für unseren MediaTech Hub Potsdam Blog spricht Christine Lentz einmal im Monat mit Tech-Enthusiast:innen, Unternehmer:innen und Forscher:innen und erzählt die Geschichten, die hinter ihren innovativen Geschäftsmodellen, Ideen, Projekten oder Kooperationen stecken.